Kampf gegen Kinderarbeit

Wir trauern um Mukul Halder

Frühstück bei Mukul Halder

Kurz nach dem Besuch der Indienhilfe-Mitarbeiterinnen Corinna Wallrapp und Astrid Kösterke in seinem Projekt „Kommunen ohne Kinderarbeit“ im North-24-Parganas Distrikt im Februar wurde Mukul abends auf dem Nachhauseweg mit dem Motorrad von einem Lastwagen tödlich überfahren. Für alle, Familie, Projektteam, seine Kirchengemeinde, Seva Kendra Calcutta – die kirchliche Entwicklungsorganisation, für die er 34 Jahre lang gearbeitet hat, oft als Leiter von Indienhilfe-Projekten, ein unfassbarer Schock. Mit seiner besonnenen Art hat er die Entwicklung unseres Projekts maßgeblich geprägt. Für sein Team hatte er stets ein offenes Ohr und war ein fürsorglicher Mentor. In den sechziger Jahren war Mukuls christliche Familie wegen Unruhen aus dem damaligen Ost-Pakistan, dem heutigen Bangladesch, nach Indien geflohen und so in die Gemeinde Bamundanga gekommen. Dort gehörte er der örtlichen katholischen Kirchengemeinde Shanti Rani Girja an, zu der etwa 180 Familien in der weiteren Umgebung zählen. Viele Jahre war er Vorsitzender des Pfarrgemeinderats und hatte gerade erst im Januar mit Mitarbeiterinnen der Indienhilfe zusammengesessen, um Möglichkeiten für eine Partnerschaft zwischen den Pfarrgemeinden Herrsching und Bamundanga zu entwickeln. Die TeilnehmerInnen der letzten Gruppenreise nach Chatra waren am Neujahrstag 2018 zum Frühstück bei ihm und seiner Frau eingeladen und genossen seine herzliche Gastfreundschaft.


„Es braucht Jahre, um einen Erfolg zu sehen!“
Individuelle Lösungsansätze und ein langer Atem schaffen Perspektiven für ehemalige KinderarbeiterInnen und SchulabbrecherInnen im North 24 Parganas District

(Corinna Wallrapp, Sommerinfo 2023)

Heute sind wir mit Fatema Khatun, einer Kinderrechtsexpertin, Mitarbeiterin unseres Partners Seva Kendra Calcutta (SKC) unterwegs. In Gobra im Gobindapur Gram Panchayat an der Grenze zu Bangladesch zeigt sie uns „ihr“ Nachhilfezentrum, in dem sie 24 Kinder aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen1 betreut. Begeistert empfangen uns die Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren – ehemalige KinderarbeiterInnen und Schul­abbrecherInnen – und zeigen uns, was sie bereits gelernt haben: Rechnen mit Steinchen, Buchstaben, Lieder singen und Reime aufsagen. Jedes Kind bis vierzehn Jahre, das nicht regelmäßig eine Schule besucht, gilt als Kinderarbeiter laut Definition der MV Foundation, nach deren Konzept SKC seit Jahren arbeitet2. Auch ein achtjähriges gehörloses Mädchen besucht regelmäßig das Zentrum. Fatema erklärt uns, dass die Eltern sich den Schul­besuch für ihre Tochter Sonali wünschten, doch die Leitung der staatlichen Grundschule verweigerte ihrer Tochter wegen ihrer Behinderung die Teilnahme am regulären Unterricht. In vielen längeren Gesprächen konnte Fatema die Schulleitung und die Lehrkräfte überzeugen, Sonali aufzunehmen. Sonali ist glücklich und kann trotz ihrer Beeinträchtigung dem Unterricht gut folgen3. In einem anderen Fall identifizierte Fatema einen sehr vernach­lässigten und unterernährten Jungen in der Gemeinde, dessen psychisch erkrankte Eltern sich nicht ausreichend um ihn küm­mern konnten. Auch hier führte Fatema viele Vertrauen aufbau­ende Gespräche mit der Familie, und dank der Unterstüt­zung eines Lehrers kann Mostafin nun zur Schule gehen, wo er neben dem Unterricht auch täglich eine warme Mahlzeit be­kommt. Es sind bewegende Geschichten und Fatemas Tatendrang und ihr Wille zu Veränderungen beeindrucken uns sehr.

Nachhilfezentrum Dakshin Kanchdaha Math Para
Nachhilfezentrum Dakshin Kanchdaha Math Para   © Indienhilfe

Momentan unterhält SKC zehn Nachhilfezentren, in denen für Schulkinder aus benachteiligten Familien täglich zwei Stunden Hausaufgabenbetreuung und Förderunterricht angeboten werden, sowie 20 Motivation Centres, in denen an zwei bis drei Tagen pro Woche jeweils zwei Stunden Unterricht für ehemalige Kinderar­beiterInnen und SchulabbrecherInnen angeboten wird, um diese für einen regulären Schulbesuch fit zu machen. So kann das Team von SKC etwa 1.000 Kinder in den Gram Panchayats Saguna und Gobindapur (mit ca. 16.000 Haushalten und mehr als 18.500 Kin­dern von 0 bis 18 Jahren) fördern und ihnen Spaß am Lernen vermitteln. Neben dem Unterricht in den Zentren führen die MitarbeiterInnen unzählige Gespräche zu Kinderrechten mit den Familienangehörigen, den Schulen, den Mutter-Kind-Zentren (ICDS), den Gemeindemitgliedern und Behörden. Wo immer Bedarf ist, um Hürden für die Einschulung oder die regelmäßige Teilnahme am Unterricht zu überwinden, um für Kinderrechte, Hygiene und Ernährung oder andere wichtige Themen zu sensi­bilisieren, sind Fatema und ihre KollegInnen zur Stelle.

Alle Kinder, die in die von der Indienhilfe finanzierten Zentren kommen, bringen ihre eigene Geschichte und einen anderen Hintergrund mit: Mal liegen die Herausforderungen eher in den Familien und deren Lebensumständen, wie geringes Einkommen und Armut, fehlendes Bewusstsein für Bildung und Rechte, hoher Alkoholkonsum und häusliche Gewalt, mal eher bei den Behör­den oder Schulen. Für jedes dieser Kinder suchen Fatema und ihre KollegInnen einen eigenen Lösungsansatz. Dies macht ihre Arbeit interessant, aber auch sehr zeitaufwändig und herausfor­dernd. Ihre Motivation und ihr unermüdliches Engagement sind wichtige Voraussetzungen der großen und kleinen Erfolge. „Es braucht Jahre, um einen Erfolg in einem ganzen Dorf zu sehen.“ sagt Fatema mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Es macht sie glücklich, wenn sie sieht, wie die von ihr betreuten SchülerInnen Spaß am Lernen haben, gerne und regelmäßig in die Schule gehen und in ihrem Dorf selber für Kinderrechte eintreten.

In einzelnen Dörfern im Saguna GP, seit vielen Jahren von uns gefördert, kann SKC sein Engagement mittlerweile langsam zurückfahren. Dort ist das Bewusstsein, wie wichtig gute Bildung, Ernährung, Hygiene und Gesundheit für die Entwick­lung der Kinder sind, weit verbreitet in der Bevölkerung und die Gemeindemitglieder sind in Gruppen organisiert, die im Notfall einschreiten, z.B. bei schwerer häuslicher Gewalt oder Kinder­ehe. Noch begleitet das Team von SKC diese Gruppen, doch werden die Ressourcen jährlich reduziert, um die freiwerdenden Mittel in neuen Dörfern mit höherem Bedarf einzusetzen.

Mit Ihrer Spende tragen Sie zu den Erfolgen von SKC bei und ermöglichen Schulbesuch statt Kinderarbeit!

Kosten 2023/24: etwa 47.000 € – ca. 45 €/Kind
Stichwort: Kinderrechte

FN1 : Das sind in dieser Region vor allem Dalits (Angehörige der registrierten „unberührbaren“ Kasten) und arme muslimische Minderheiten
FN2: Als Kinderarbeit zählen auch Haushaltsarbeiten, Betreuung von Geschwistern, Mithilfe bei der Feldarbeit und andere Tätigkeiten, die vom Schulbesuch abhalten. MV Foundation ist eine führende Organisation in Bezug auf Kinderrechte in Indien. Mehr Infos unter: https://mvfindia.in/
FN3: Im April 2023 startete unser neues Projekt „Moving Ahead“ mit dem Partner SANCHAR, um unsere Projektpartner zum Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren und Inklusion in allen Projekten zu stärken. Im nächsten Info-Brief werden wir von „Moving Ahead“ berichten.

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Mit unserem Partner Seva Kendra Calcutta (SKC) gegen Kinderarbeit, für Kinderrechte!
(Astrid Kösterke, Sommerinfo 2022)

Es sind zivilgesellschaftliche indische Organisationen, die im Jahr 2009 wesentlich zur Durchsetzung des „Right of Child­ren to Free and Compulsory Education Act“ (RTE)1 für Kin­der von 6-14 Jahren beigetragen haben. Seither hat sich in den dörflichen Schulen in unseren Projektgebieten einiges getan – neue Schulgebäude, wo früher der Unterricht teils sogar im Freien stattfand, kleinere Klassen, mehr Lehrkräfte und Verbot von körperlicher Züchtigung, wo früher das Stöckchen für Disziplin sorgte, viel mehr Einschulungen, weil keine Gebüh­ren mehr erhoben werden, Lernmaterial und Schuluni­formen kostenlos sind, Diskriminierung nicht erlaubt ist.

Doch auch die Umsetzung des Gesetzestextes in die Praxis, wie die Identifizierung der KinderarbeiterInnen im ländlichen Raum und die Überzeugungsarbeit bei Eltern und Kindern für den Schulbesuch, gelingt selten ohne Unterstützung durch sozial engagierte Organisationen.

So auch in unserem Projektgebiet im Swarupnagar Block des North-24-Parganas-Distrikts im Gangesdelta nahe Bangla­desch. Indienhilfe-Projektpartner SKC, die Sozial-Organisa­tion der Erzdiözese Kolkata, verfolgt dort das Ziel, in 54 Sied­lungen in den Kommunen (Gram Panchayats) Saguna und Gobindapur Kinderarbeit abzuschaffen. Alle Kinder von sechs bis vierzehn Jahren sollen erfolgreich die Schule besu­chen. Eltern, Lehrkräfte, ArbeitgeberInnen, Gemeinderät­Innen, Polizei und die Bevölkerung allgemein werden über Kinderrechte, insbesondere das Recht auf Bildung, aufgeklärt, gegen (sexualisierte) Gewalt, Kinderhandel, frühe Ehen sensi­bilisiert und die örtlichen Child Rights und Girls Rights Protection Forums gestärkt.

Corona mit der Rückkehr von WanderarbeiterInnen, Zerstö­rungen durch die Zyklone Amphan und Yaas in den zwei letz­ten Jahren haben die ohnehin prekäre Situation vieler Familien weiter zugespitzt. Nahrungsmittel wurden knapp und teuer. Die Schulen waren zwei Jahre geschlossen, Online-Unterricht mangels Technik kaum durchführbar. Circa 50 Prozent der Haushalte leben unter der Armutsgrenze, als landlose Tage­löh­nerInnen, KleinstbäuerInnen, arbeiten in der Fischerei, im informellen Sektor. Viele gehören den benachteiligten Kasten und Indigenen Volksstämmen oder der ebenfalls benachteilig­ten großen muslimi­schen Bevölkerungsgruppe an.

Kinder in der Region verrichten Feldarbeit, arbeiten am Bau, beim Be- und Entladen von Lastwagen, in Ziegeleien, als LumpensammlerInnen, beim Bestäuben von Gemüse, ernten Blumen, flechten Jutezöpfe, fertigen in Heimarbeit Näharbei­ten und Pailletten-Stickereien, migrieren mit ihren Familien zur Arbeit für Monate in andere Gegenden. Meist die Mädchen müssen das Kochen und die Beaufsichtigung jünge­rer Geschwister über­nehmen, wenn die Eltern arbeiten. Erst­mals seit langem nahmen Kinderehen und Kinderhandel wieder zu. Auch in Saguna, wo das SKC-Team die Zahl der KinderarbeiterInnen bereits von über 300 auf etwa 15 hatte reduzieren können, stie­gen die Zahlen wieder.

RemedialCentre
Nachhilfezentrum Pantapara 67, Gobindapur   © Indienhilfe

Als unsere indischen KollegInnen im Juni das ausgedehnte Projektgebiet mit allen Standorten für einen Zwischenbericht an die Indienhilfe besuchten, stellten sie Herausforderungen wie Stärken fest: Überall waren die Eltern froh über das För­derangebot für ihre Kinder in den Nachhilfe- und Lern­gruppen während der Schulschließungen. Pandemiebedingt war die Zahl der betreuungsbedürftigen Kinder in den Projektdörfern stark gestiegen und es wurden so viele Kinder wie möglich zusätzlich aufgenommen. Insgesamt etwa 1.400 Kinder wur­den täglich in Schichten von den zehn „Child Rights Workers“ unterrichtet. Seit dem 27. Juni sind nun alle Schulen wieder geöffnet. 304 Kinder können weiterhin in jetzt 10 Nachhilfe­zentren (6 in Gobindapur und 4 in Saguna) täglich ihr Unter­richtspensum nachbearbeiten. 711 (ehemali­gen) Kinderarbei­terInnen wird zweimal wöchentlich in „Motivations-Zentren“ in Gobindapur (12) und in Saguna (8) Lust auf Schule vermit­telt und ihre Eingewöhnungsprobleme werden bearbeitet. Durch mehrtägige intensive „motivation camps“ für Mathe­matik, Englisch und Bengali sollen die Kinder mit modernen Methoden und Materialien Spaß am Lernen bekommen und Anschluss an den altersentsprechen­den Lehrplan finden, damit sie sich nicht für verfrühtes Geld­verdienen entscheiden. Was heute schon erreicht ist: alle Familien haben ihre nötigen Dokumente, um in den Genuss staatlicher Hilfen und Ange­bote zu kommen und werden bei der Antragsstellung unter­stützt. So gibt es z.B. finanzielle Anreize für Mädchen, nach der Schule auch noch aufs College zu gehen.

Doch trotz der Erfolge bezüglich Bildung ist für das Projekt­team auch weiterhin viel zu tun, um – in Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren in Verwaltung, Gesellschaft und Fami­lie – für die Verletzung von Kinderrechten zu sensibilisieren und die Zivilcourage zu entwickeln, um diese Rechte aktiv durchzusetzen

Kosten 2022/23: etwa 45.000 € – ca. 45 €/Kind
Stichwort: Kinderrechte

(1) siehe Blog eines Jura-Studenten der Calcutta University: https://blog.ipleaders.in/rte-act-right-to-education-act-2009/

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Seva Kendra Calcutta (SKC) - Auswege aus der Kinderarbeit in Gobinapur (Weihnachtsinfo 2019)

Kinderdemo
Schüler-Demo für Kinderrechte in Gobindapur (©: IH)

„Die jüngsten Kinder waren acht oder neun Jahre alt. Die Mädchen trugen bis zu zehn Ziegel auf ihren Köpfen, die Jungs hatten wenigstens Schubkarren. Eigentlich sollten sie in einer Schule sitzen, stattdessen müssen sie als Arbeitssklaven schuften, oft um die Schulden ihrer Eltern bei den Fabrikbesitzern abzuarbeiten.“ Karin Degenhart, Lehrerin am Christoph-Probst-Gymnasium Gilching, besuchte im Januar 2018 das Projekt zur Schaffung kinderarbeiterfreier Kommunen unseres Partners SKC. Die Situation im Gobindapur Gram Panchayat (GP) erschütterte die deutschen Besucher zutiefst: über 300 Kinder besuchen dort keine Schule, viele leisten in den umliegenden Ziegeleien körperliche Schwerstarbeit, die ihre Entwicklung nachhaltig schädigt.

Seit 2018 ist das Team um Koordinator Mukul Halder schwerpunktmäßig in Gobindapur aktiv. Der Arbeitsansatz ist zweigleisig: Einerseits kooperiert das Team entsprechend dem Konzept für Kinderschutz der indischen Regierung mit den örtlichen Kinderschutz-Komitees(1) und klärt z.B. darüber auf, dass Kinderarbeit illegal ist und jedes Kind ein Recht auf Bildung und die Pflicht zum Schulbesuch hat. Das Projektteam stärkt die Komitees, z.B. durch Schulungen zur Durchsetzung von Kinderrechten und Kinderschutz. Zum anderen unterstützen die Kinderrechtsarbeiter die gefährdeten Schulkinder durch gezielten Förderunterricht, um einen vorzeitigen Schulabbruch zu verhindern.

Schwieriger gestaltet sich die Motivation von bereits arbeitenden Kindern, zur Schule zurückzukehren. Hier sind oft langwierige Gespräche mit den Eltern und Arbeitgebern notwendig. Für die Kinder, die meist Angst vor der Schule haben, werden Motivations-Camps veranstaltet. Dass ihre Arbeit erfolgreich ist, sieht das SKC-Team im Tepul-Mirzapur GP, in dem in den letzten zehn Jahren die Anzahl arbeitender Kinder von über 330 auf 15 reduziert werden konnte.

Spendenstichwort: Kinderarbeit
Benötigte Summe: 45.000 Euro

(1)NGOs spielen eine Schlüsselrolle im Konzept. Details in Childline India, A Handbook for Beginners, unter dem Link https://www.childlineindia.org/pdf/Essentialsof-child-protection-Oct%2008.pdf


Seva Kendra Calcutta (SKC): Erfolgsmodell „Kinderarbeiterfreie Kommunen“

Fatema Khatun ist Kinderrechtsaktivistin im Gobindapur Gram Panchayat[1] im North-24-Parganas-Distrikt, seit 2018 Schwer­punktgebiet unseres Projekts „Kinderarbeiterfreie Kommunen“ mit ca. 300 Kinderarbeitern. Fatema ist für sechs Siedlungen mit 2.243 Familien zuständig. Bei ihren Hausbesuchen stellte sie fest, dass von 950 Kindern im Alter von 6 bis 14 Jahren 136 Kinder nicht regelmäßig zur Schule gehen und damit als Kinderarbeiter gelten[2]. Eines von ihnen ist der 13jährige Habibur, dessen Eltern als Wanderarbeiter monatelang mit ihren Kindern in einer Ziegelei arbeiteten. Durch das lange Fehlen konnte Habibur nach seiner Rückkehr dem Unterricht nicht mehr folgen; er begann, in einem Süßwarenladen zu arbeiten. Zu den Aufgaben der Kinderrechts­arbeiter gehört es, in den Dörfern darüber aufzuklären, dass Kinderarbeit illegal ist und jedes Kind das Recht auf Schulbesuch und auch die Pflicht dazu hat. Sie verfolgen jeden Fall von Kinderarbeit individuell und erarbeiten mit der Familie einen Plan zur Wiedereinschulung. So führte Fatema unzählige Gesprä­che mit Habiburs Eltern und dem Ladenbesitzer, bis sie endlich seiner Rückkehr an die Schule zustimmten. Weil es dem Jungen schwerfiel, sich wieder an das Schulleben zu gewöhnen, besuchte er zunächst unser Brückenschulen-Internat für Kinder­arbeiter[3], um den Unterrichtsstoff nachzuholen und Anschluss an seine Altersgenossen zu finden.

Neben Aufklärungsarbeit über Kinderrechte und deren Veranke­rung in der Dorfgemeinschaft bietet Fatema – wie alle Kinder­rechtsarbeiter – an den Schulen in ihrem Zuständigkeitsbereich dreimal wöchentlich Nachhilfe-Unterricht an. Und sie kümmert sich darum, dass die staatlichen Mutter-und-Kind-Förderzentren (ICDS[4]-Zentren) für Kinder von 0 bis 6 Jahren ordnungsgemäß funktionieren. Angefangen haben wir das Projekt zur Schaffung flächendeckend kinderarbeiterfreier Kommunen 2009 im Tepul-Mirzapur GP und weiteten die erfolgreiche Arbeit auf die GPs Saguna und Gobindapur aus. Im letzten Jahr wurden im Tepul-Mirzapur GP nur noch 15 Fälle von Kinderarbeit registriert und das Bewusstsein für Kinder­rechte ist in der Dorfgemeinschaft mittlerweile so gestärkt, dass wir uns schritt­weise zurückziehen können. Dafür konzentrieren wir uns jetzt auf den Gobindapur GP, der nahe der Grenze zu Bangladesch liegt, wo Kinder als Hirten für den Schmuggel von Rinderherden ins Nachbarland missbraucht werden, und der mit seinen vielen Zie­gelbrennereien auch sonst ein hohes Risiko für Kinderarbeit birgt.

[1] Gram Panchayat (GP) = Gemeinde als kommunale Verwaltungseinheit

[2] Einer der Grundsätze des Projekts lautet: „Jedes Kind, das keine Schule besucht, ist ein Kinderarbeiter.“

[3] Die beiden Brückenschulen-Internate wurden dieses Jahr aufgelöst. Über die Jahre waren es zu wenige Kinder für diese Intensivbetreuung, um sie wirtschaftlich zu führen. Nun werden diese Kinder im heimischen Umfeld individuell betreut, z.B. durch Extra-Nachhilfestunden.

[4] Integrated Child Development Services, siehe Link zu Kurzanalyse des aktuellen ICDS-Budgets der indischen Regierung durch das Centre for Policy Research http://www.cprindia.org/research/reports/budget-brief-2018-19-integrate… sowie die Childline-Seite http://www.childlineindia.org.in/Integrated-Child-Development-Scheme-IC…


Indienhilfe Sommerinfo 2016

„TÜV-geprüft“: Das Projekt „Kinderarbeitfreie Kommunen“ ist erfolgreich und soll wachsen

(Marion Schmid)

Selten habe ich in einem indischen Dorf so viele Dalit-Kinder gesehen, die Zugang zu höherer Bildung haben!“ schrieb uns Manuela Ott, Koordinatorin der Dalit Solidarität Deutschland[1], nach einem Besuch in unserem „Kinderarbeitfreie Kommunen“-Projekt im Nord-24-Parganas Distrikt Westben­galens. Diese erfreuliche Rückmeldung lenkte unser Augenmerk darauf, dass unser Kampf für Bildung und gegen Kinderarbeit nach dem Konzept der MV Foundation (MVF)/Andhra Pradesh vor allem den benachteiligten Dalit-Kindern, den „Unberühr­baren“ (35% der Bevölkerung), und muslimischen Kindern (sog. „minority“, 25% im Projektgebiet) hilft.

Kinderlieder Ishita Dhali
Kinderlieder zur Bewusstseinsbildgefährdeten Kindeung - Ishita Dhali mit gefährdeten Kindern (©: IH)

Neben der Projektbegleitung durch unser Team in Kolkata gibt die Indienhilfe Wirkungsstudien in Auftrag, damit unab­hängige Fachleute prüfen, ob wir mit unseren Projekten unsere Ziele erreichen, wie die Arbeit verbessert werden kann und ob sie überhaupt noch notwendig ist. Heuer im Januar war nach drei Jahren Laufzeit das „Child Labour Free Gram Panchayat Project“[2] mit unserem Partner Seva Kendra Calcutta (SKC) an der Reihe.

Das Projektgebiet umfasst 25 Dörfer mit ca. 50.000 Ein­wohnern. Seit 2013 ist das Projektteam dort mit dem Ziel aktiv, dass alle Kinder erfolgreich die Schule besuchen. „Jedes Kind, das nicht die Schule besucht, ist ein Kinderarbeiter!“ heißt der nicht-verhandelbare Kernsatz der MVF. Ende Januar reisten drei Fachleute der MVF (darunter auf unseren Wunsch eine Frau) aus der Zentrale in Hyderabad an, um vier Tage lang die einzelnen Projektaktivitäten in den Gemeinden Saguna und Tepul Mirjapur gemeinsam mit dem ganzen Projektteam und unserer zuständigen Mitarbeiterin Rusha Mitra unter die Lupe zu nehmen.

Auch ich konnte im Rahmen meines jährlichen Projektbesuches zwei Tage dabei sein und habe viel gelernt. Während einer Befra­gung von Eltern auf einem Dorfplatz in den späten Nach­mittags­stunden ist mir vor allem eine Situation sehr gut in Erinnerung geblieben: Rahul M., ein etwa 13jähriger Junge, mit dem wir zufällig ins Gespräch kamen, erzählte, dass er in seinem Leben noch nie eine Schule besucht habe. Rahul schmuggelt Rinder zum Schlachten in das benachbarte Bangla­desch und kümmert sich dort bis zum Verkauf um die Herde. Von dem Geld, das er damit verdient, hat sich Rahul ein eigenes kleines Pony gekauft. Die anderen Kinder, die sich während unseres Gesprächs um ihn scharten, beneiden ihn um sein Pferd und sein freies Leben, ganz fernab von jeglichem Schulalltag. Er berichtete stolz von seiner täglichen Arbeit beim Viehschmuggel und dass es ihm Spaß mache. Auf die Frage, ob er denn wisse, dass seine Arbeit illegal sei, antwortete er, es sei ihm egal. Wir wollten wissen, ob seine Eltern darüber informiert seien, dass er nicht zur Schule gehe, mussten aber das Gespräch abbrechen, weil Verwandte von Rahul anwesend waren. Unser Projektkoordinator wies uns dezent darauf hin, und wir wollten niemanden in Bedrängnis bringen. Rahul ritt unterdessen mit seinem Pferd weg, die anderen Kinder liefen ihm hinterher. Für mich blieben an diesem Tag viele offene Fragen, die alle darum kreisten, wie Rahuls Leben wohl in zehn Jahren aussehen wird.

Uns wird an diesem Abend klar, dass die Arbeit im bishe­rigen Gebiet nach drei Jahren noch nicht beendet sein kann. Das Konzept der MV Foundation beruht auf einem flächen­deckenden Bewusstseinswandel. „Kinder gehören in die Schule! Jedes Kind, das keine Schule besucht, ist ein arbeitendes Kind!“ Eltern, Lehrer, Gemeinderäte, Geschäftsleute, Behörden – letzt­endlich alle, die in der Gemeinde wohnen, müssen das verinner­lichen und sich aktiv an der Abschaffung von Kinderarbeit beteiligen, z.B. durch Mitwirkung in lokalen Foren zum Schutz von Kinderrechten, insbesondere Rechten von Mädchen. Der detaillierte Evaluationsbericht empfiehlt dringend, die Arbeit zudem auf die grenznahen Gemeinden des Baduria Blocks[3] auszuweiten. Mit dem Gobindapur Gram Panchayat wollen wir 2016 beginnen. Eine große Herausforderung stellt hier der illegale Grenzverkehr in beide Richtungen dar: Ver­schleppung von Mädchen für die Prostitution, Rinder­schmuggel mit Hilfe von Kindern usw. Besonders betroffen sind Kinder aus Familien von Wanderarbeitern und von allein­erziehenden Müttern. Ziegeleien und Landwirtschaft ziehen saisonal Arbeitskräfte an – oft kommt die ganze Familie. Die Integration der Kinder in Schulen ist ein Problem, auch weil es sehr schwer ist, diese Kinder überhaupt zu erfassen. Die Daten­erhebung muss daher methodisch verbessert werden.

Eine weitere Empfehlung der MVF, Frauen auf allen Ebenen gleichberechtigt in das Projekt einzubeziehen, konnte an einer Stelle unmittelbar in die Tat umgesetzt werden: Ishita Dhali ist Dalitfrau und trotz der damit verbundenen Diskrimi­nierung seit Beginn des Projekts als “Field Worker“ auf Gemeinde­ebene mit dabei. Manuela Ott war von ihrem Cha­risma und ihren Kenntnissen, z.B. über die vielfältigen Minder­heiten-Förderprogramme der indischen Regierung, beein­druckt. Ishita wurde jetzt zur Junior Projekt-Koordinatorin befördert.

[1] Website der Dalitsolidarität in Deutschland: http://www.dalit.de/

[2] siehe dazu  Sommerinfo 2015, S. 3, Link auf der IH-Website: http://www.indienhilfe.de/node/57

[3] Block = Verwaltungseinheit, entspricht etwa unserem Landkreis


Indienhilfe Herbstinfo 2015

Vom Ich zum Wir: Jugendliche in unseren Projektgebieten übernehmen gemeinsam Verantwortung für Kinderrechte in ihren Kommunen - acht Jugend-Aktionsgruppen bisher aktiv

(Marion Schmid)

„Frauen werden in unserer Gesellschaft unterdrückt und stigmatisiert. Es ist ermutigend, zu sehen, mit welchen Strategien wir unsere Dorfmitbewohner konfrontieren können, damit ein positiver Wandel in der familiären Beziehung stattfinden kann!“ – so erzählt Rizwan, Mitglied einer Youth Action Group, kurz YAG, als er von unserer Partnerorganisation Thoughtshop Foundation  (TF)  nach  einem  Trainingsworkshop  zum Thema „Gender“ befragt wird.

Seit 2011 arbeitet die Indienhilfe auf Initiative unserer indischen Teamleiterin mit der NGO TF zusammen. 1993 gegründet, hat diese es sich zur Aufgabe gemacht, interaktive didaktische Lern- Pakete zu entwickeln, um die Gruppenbildung von Jugendlichen aus abgelegenen Dörfern und aus Slums zu fördern und sie zu befähigen, wichtige soziale Themen aufzugreifen, wie Sexualerziehung und Familienplanung, Geschlechtergerechtigkeit, häusliche Gewalt, AIDS, Hygiene. TF glaubt daran, dass die Entwicklung einer Gesellschaft stark von der Einbeziehung und Verantwortungsübernahme der jungen Generation für ihre Zukunft abhängt.

Mit selbst entwickelten hochwertigen pädagogischen Materialien, in mehrtägigen motivierenden und thematischen Vernetzungstreffen („Camps“) für Jugendliche, hat TF seit 2011 insgesamt 8 Youth Action Groups mit einer funktionierenden Gruppenstruktur in unseren Projektgebieten aufgebaut und begleitet sie kontinuierlich. Ziel ist, dass die  jungen Erwachsenen im Alter von 18-25 Jahren als Impulsgeber  in ihren eigenen Dörfern fungieren und Basisorganisationen zur Verbesserung der Situation in ihrer Umgebung gründen. Es ist wichtig,   dass   sie   nicht   für   die   Projekte   unserer   Partner „instrumentalisiert“ werden, sondern sich eigenständig entwickeln.   Gleichwohl   unterstützt   ihr   Engagement   indirekt die Projektziele unserer Partner vor Ort, allen Kindern Zugang zu Bildung zu ermöglichen, Kinderarbeit abzuschaffen, Kinderrechte durchzusetzen. Die Jugendlichen haben einen direkteren Zugang zu den Kindern in ihren Dörfern und können eine Vorbildfunktion einnehmen. Ihr Engagement ist langfristig wirksam.

Nicht wenige der YAG-Mitglieder kommen selbst aus schwierigen Familien, in denen z.B. Angst, Gewalt bis hin  zu Missbrauch herrschen, die Eltern Analphabeten sind, arbeitslose Väter trinken, alleinerziehende Mütter ums Überleben kämpfen, Mädchen zu früher Heirat gedrängt werden, Vertreibung droht oder die Familien saisonal als Wanderarbeiter in andere Gebiete gehen müssen. Die Jugendlichen haben oft kein Ziel im Leben und empfinden sich als wertlos – TF nimmt sie als Partner ernst, fördert ihre Persönlichkeitsentwicklung und befähigt sie durch Trainings und das passende „Handwerkszeug“, wichtige soziale Themen gemeinsam aufzugreifen, sich gegenseitig zu unterstützen, Freude und Leid miteinander zu teilen.

Nach drei Jahren sind acht Youth Action Groups mit 87 Kinderrechtsaktivisten aktiv. Die ersten Gruppen haben ein eigenes Bankkonto eröffnet und Räumlichkeiten organisiert, wo sie Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche sind, Nachhilfe- unterricht geben und Schulartikel und Monatsbinden verkaufen, womit nebenbei kleine Einnahmen erzielt werden. Im Lauf der Zeit hat jede Gruppe ihre eigene Dynamik entwickelt, hat mehr jüngere oder ältere, mehr weibliche oder mehr männliche Mit- glieder, schwankt bei den Aktivitäten. Paban Mandol, 20, von der Gruppe in Perghumti im Gangesdelta, sagt: „Durch die  große Entfernung zu Kalkutta ist es oft nicht einfach, den Kon- takt zu halten.“ Aber dennoch hat sich seine Gruppe immer weiter entwickelt. Paban, dessen Bruder die Schule nach der 6. Klasse verlassen hat, um den Eltern auf den Feldern zu helfen, war von einem Nachbarn angesprochen worden, dass demnächst ein Training für junge Leute stattfinde. Nach der Überflutung durch den Zyklon Aila organisierten NGOs hier viele Trainings zur Klimaanpassung, Umwelt usw. – doch dieses hier war ganz anders. Es ging um unterschiedliche Wertesysteme und um die Entwicklung des eigenen Potentials, um im Vertrauen auf Gemeinschaft, Gleichheit und Verschiedenheit die Gesellschaft zu verändern. Seither ist er mit Feuer und Flamme dabei. Ein Highlight, so erzählt er, sind die gemeinsamen Treffen aller Gruppen in Kalkutta. Paban stellt selbst fest, dass er sich sehr verändert hat. Früher, wenn er für die Familie kochte und die Nachbarn sagten „Was bist du denn für ein Junge, Du kochst ja wie ein Mädchen?“, schämte er sich. Seit dem „Gender Camp“ macht er sich nichts mehr daraus – er weiß, dass Frauen und Männer alle Arten von Arbeit gleichermaßen übernehmen können. Pabans Traum ist es, dass wir alle eines Tages in einer gleichen Gesellschaft leben.

Solche Geschichten motivieren und zeigen uns, dass die Arbeit ankommt, selbst in einem abgelegenen Dorf mitten in den Sunderbans. Deshalb freuen wir uns , wenn Sie mithelfen. Wir benütigen in diesem Jahr 24.000 Euro für die Yourh Action Groups. Bitte spenden Sie unter dem Stichwort "YAG"!


Indienhife Sommerinfo 2015

Leuchtturmprojekt „Kinderarbeitfreie Kommunen“: Eröffnung einer zweiten Brückenschule für Ex-Kinderarbeiter - speziell für Mädchen

(Marion Schmid)

Indien ist immer noch das Land mit der höchsten Zahl an Kinderar­beitern weltweit. „Kinder müssen arbeiten, um den Lebensunterhalt der Familien zu sichern!“ – so wird oft argumen­tiert, um Kinderarbeit zu rechtfertigen. „Kinderarbeit flächendeckend abschaffen!“ ist dagegen das Motto der Indien­hilfe. Das Projekt „Kinderarbeitfreie Kommunen“ im North-24-Parganas Distrikt, ist eines unserer drei  Leuchtturm­projekte. Es soll zum Millennium Development Goal (MDG) 2 „Verwirklichung der allgemeinen Grundschulbildung" bei­tragen und im Projektgebiet Kinderarbeit abschaffen und Kinder­rechte durchsetzen. Projektpartner ist Seva Kendra Calcutta (SKC), die Entwicklungsorganisation der Erzdiözese Kolkata.

Das von der Indienhilfe aufgegriffene Projektmodell wurde von der Nichtregierungsorganisation MV Foundation (MVF) im Bundesstaat Andhra Pradesh entwickelt. Die MVF hat mehr als eine Million Kinder von 5-14 Jahren aus der Kinderarbeit heraus­geholt und in das staatliche Schulsystem integriert. Die „nicht-verhandelbaren Grundsätze“ der MVF gelten auch für un­ser Projekt, das zwei Kommunen abdeckt, und das wir in Zukunft auf weitere Kommunen ausdehnen möchten:

Brückenschule Sreerampore
Kinder der Brückenschule Sreerampore beim Lernen nach STAG-Methode Foto: Alzinger

  1. Alle Kinder müssen reguläre Tagesschulen besuchen (nicht informelle Schulen, nicht Abendschulen).
  2. Jedes Kind, das nicht die Schule besucht, gilt als arbeitendes Kind.
  3. Jede Arbeit ist schädlich, weil sie das Wachstum und die Entwicklung des Kindes gefährdet.
  4. Kinderarbeit muss vollständig abgeschafft werden.
  5. Jede Rechtfertigung von Kinderarbeit verlängert deren Existenz und muss daher verurteilt werden.

Die Methode, um Kinderarbeit flächendeckend abzuschaffen, lautet einfach, aber effektiv: Bewusstseinswandel. Dazu gehen die dafür geschulten Projekt-Mitarbeiter in die Dörfer und spre­chen mit Eltern, Kindern, lokalen Behörden, Lehrkräften, Lehrer­verbänden sowie den Arbeitgebern der Kinder. Ziel des Dialogs ist eine gemeinsame Suche nach Wegen, um Kinder wieder in die Schule zu bringen. Eltern müssen begreifen, dass der Weg aus der Armut nicht durch Kinderarbeit zu lösen ist, sondern durch Bildung. Diese Anschauung muss im Projekt­gebiet zur sozialen Norm werden. Erst dann tritt der angestrebte Effekt ein, dass nur noch Erwachsene als Arbeits­kräfte zur Verfügung stehen.

Wichtige Komponente sind die Internats-Brückenschulen für diejenigen Kinder, die jahrelang nicht zur Schule gingen oder überhaupt nie eine besucht haben. Die Kinder bleiben bis zu einem Jahr, je nach individueller Entwicklung und familiärem Hintergrund. Sie sollen Anschluss an den Lernstoff ihrer Alters­gruppe finden und sich an geregeltes Leben und Lernen gewöhnen. Bei meinem ersten Arbeitsaufenthalt in Indien als neue Mitarbeiterin der Indienhilfe letzten Winter führte mich der erste Projektbesuch am Tag nach meiner Ankunft in unsere erste Brückenschule in Sreerampore mit 22 Kindern – ein unvergess­licher Tag! Am meisten beeindruckte mich die Begeisterung, mit der die Kinder nach der von dem Jesuiten Fr. Mangal Das SJ entwickelten Methode lernten. Alle Lernziele der ersten vier Klassen hat er in Einzel-Lernschritten auf Lernkarten fest­gehalten – die Kinder unterrichten sich gegenseitig, mit Freude und nachhaltigem Erfolg.

Bei meinem Besuch trafen wir nur zwei Mädchen an. Projekt­koordinator Mukul Halder erklärte, dass Eltern und Projektteam sich nicht wohl dabei fühlten, Mädchen und Jungen (teilweise schon in der Pubertät) gemeinsam unterzubringen. Die Indien­hilfe entschloss sich, unterstützt durch den Förderverein West­bengalische Dörfer e.V., eine zweite Brückenschule nur für Mädchen zu fördern. Geeignete Räumlichkeiten fanden sich in DumDum, im Norden Kalkuttas, wo SKC ein passendes Gebäude besitzt. Wichtig war, dass die neue Brückenschule weit genug entfernt von der Lebenswelt der betroffenen Mädchen ist. Eine klare Abschottung beider Seiten ist hilfreich für die Wieder­eingliederung in das staatliche Schulsystem und die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit. Elternbesuche sind zwar erlaubt und durchaus erwünscht, aber nur in Absprache mit den Mitarbeitenden der Brückenschule.

Nach Renovierung des Gebäudes und Rekrutierung von Erzieherinnen und Köchin konnte das neue Zentrum Anfang Februar 2015 eröffnet werden, mit neun Mädchen zunächst und Kapazitäten für weitere elf. Die Erzieherinnen wurden mit der STAG-Lernmethode vertraut gemacht und demnächst ist ein gemeinsamer Ausflug der Kinder und der Betreuerinnen ins ländliche Sreerampore geplant. Die zuständige indische Projekt­referentin der IH macht regelmäßig Besuche, auch ohne Ankün­digung, um die Einhaltung der Grundsätze des Kinderschutzes zu überwachen und Empfehlungen für die Projektumsetzung an den Partner und die IH zu geben.


Wir wollen, dass alle Kinder zur Schule gehen und kein Kind mehr arbeiten muss!

Samrat Halder
Sibani Bhattacharya, Büroleiterin des Indienhilfe-Büros in Kalkutta, und Ishita Dhali, Kinderrechtsaktivistin, ermutigen Samrat Halder, regelmäßig zur Schule zu gehen – sonst droht die Brückenschule. Foto: Sabine Dlugosch

„Ich weiß nicht, wo Samrat ist.“ Ratlos schaut sich Mutter Roma Halder um. Der 11jährige Junge ist nicht zu finden, als ich im Februar 2011 das Dorf Subhasnagar in der Kommune Tepul-Mirzapur besuche. Tepul-Mirzapur ist eine der drei Kommunen in Westbengalen und Orissa, in denen unser Indienhilfe Netzwerk gegen Kinderarbeit innerhalb von 5 Jahren jegliche Form von Kinderarbeit abschaffen möchte. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Demonstrationen, Radl-Rallyes, Wandanschriften oder der öffentlichen „Ehrung“ von Arbeitgebern, die Kinder beschäftigen, wird bei den über 50.000 Einwohnern in den 56 Dörfern ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass Kinderarbeit illegal ist und jedes Kind, egal ob arm oder reich, das Recht auf Bildung und Schulbesuch hat. In jedem Dorf haben die Projektmitarbeiter die arbeitenden und nicht zur Schule gehenden Kinder identifiziert und bemühen sich um deren Wiedereinschulung. Unterstützt werden sie in jedem Dorf von ehrenamtlichen Kinderrechtskomitees, die die Einhaltung der Kinderrechte im Dorf überwachen.

Auf Samrat wurden die Kinderrechtsaktivisten 2009 aufmerksam und bemühen sich seitdem um seine Rückkehr in die Schule. In der 3. Klasse brach er die Schule ab, um für monatlich 300 Rupien (ca. 5 Euro) in einem Süßwarenladen zu arbeiten. Für die Eltern ist die Sache einfach: das Familieneinkommen reicht nicht aus und Samrat hat keine Lust auf Schule, also schicken sie ihren Sohn zum Arbeiten in den Süßwarenladen. Der Arbeitgeber ist sich keiner Schuld bewusst, denn die Eltern haben ihren Sohn ja freiwillig zur Arbeit geschickt. Erst als der Bürgermeister und der Schulleiter sich einmischen, darf Samrat an einem zweitägigen Kinderarbeiter-Workshop teilnehmen, in dem die Kinderrechtsaktivisten die arbeitenden Kinder spielerisch auf eine Wiedereinschulung vorbereiten. Daraufhin kehrt Samrat in die 3. Klasse zurück, doch nach wenigen Tagen ist er nur noch unregelmäßig anwesend. Die Kinderrechtsaktivisten lassen nicht locker: entweder geht Samrat regelmäßig zur Schule oder er muss auf die Brückenschule, in der ehemalige Kinderarbeiter in einem einjährigen Kurs auf die Rückkehr in die staatliche Schule vorbereitet werden. Um nicht aus seinem Dorf fort zu müssen, verspricht Samrat, jeden Tag zur Schule zu gehen. Wöchentlich treffen sich die Kinderrechtsaktivisten mit ihm und den anderen Kindern im Dorf, um über Probleme in der Schule zu sprechen und Lösungen zu finden. Seine Freunde können Samrat schließlich überzeugen, den Unterricht regelmäßig zu besuchen, wovon sich die Kinderrechtsaktivisten bei den Lehrern und Eltern immer wieder vergewissern.

Gerade als wir gehen wollen, taucht Samrat wieder auf: er hatte sich auf dem Toilettendach versteckt, aus Angst, dass wir gekommen sind, um ihn in die Brückenschule zu bringen – denn in den letzten beiden Tagen hatte er die Schule erneut geschwänzt. Warum? Das kann er auch nicht sagen, denn in der Schule gefällt es ihm besser als bei der Arbeit.

Samrats Fall zeigt, wie schwer es ist, Kinderarbeiter zur Rückkehr in die Schule zu bewegen, sobald sie längere Zeit gearbeitet und den eigenen Verdienst genossen haben. Daher arbeiten unsere Partner daran, Kinderarbeit von Anfang an zu verhindern: Förderkindergärten und Vorschulen bereiten die Kinder auf die Einschulung vor, schulbegleitender Nachhilfeunterricht verhindert den vorzeitigen Schulabbruch. Besonders Kinder aus Analphabeten-Familien sind gefährdet, in die Kinderarbeit abzurutschen, wenn sie zu Hause keine Unterstützung bei den Hausaufgaben bekommen können.

Neben der direkten Förderung der Kinder beteiligen sich alle unsere Partner an der Lobby- und Kampagnenarbeit zur Schaffung eines gesellschaftlichen Bewusstseins für die Einhaltung der Kinderrechte und des Rechts auf Bildung. Dieses Jahr sollen in allen Projektgebieten Aktionsgruppen von Jugendlichen ins Leben gerufen werden, die in ihren Dörfern Kinderrechtsverletzungen öffentlich machen und dafür sorgen, dass alle Kinder Zugang zu Schulbildung haben. So wird bei der kommenden Generation ein Bewusstsein für Kinderrechte und Schulpflicht geschaffen!


Indienhilfe-Sommerinfo 2013:

“Wir wollen eine Gesellschaft ohne Kinderarbeit!”
Indische Jugendliche im Einsatz für Kinderrechte

(Sabine Jeschke)

„Gemeinsam als Gruppe können wir jede Herausforderung annehmen!“ ist sich Sanjit Singh aus dem West Midnapur Distrikt sicher. „Mein Traum ist es, dass wir als Gruppe zur Abschaffung von Kinderarbeit in unserer Gesellschaft beitragen!“ pflichtet ihm Mahafuj Middya aus dem Bankura Distrikt bei. Beide sind Mitglied der Youth Action Group in ihrem Distrikt, den Gruppen jugendlicher Kinderrechtsaktivisten, deren Aufbau und Ausbildung die Indienhilfe seit 2011 in allen Projektgebieten unterstützt. Ziel ist es, an der Basis in den Dörfern verantwortungsvolle und mündige Jugendliche auszubilden, die nicht nur das eigene Wohlergehen im Blick haben, sondern sich gemeinsam für die Einhaltung der Kinderrechte und die Entwicklung ihrer Dörfer einsetzen wollen.

Dass ihre Arbeit nicht immer einfach ist, muss die Gruppe im Bankura Distrikt erfahren: bei der Suche nach Kindern, die die Schule vorzeitig ohne Abschluss abgebrochen haben, treffen sie die zwölfjährige Priti Bauri und ihre neunjährige Schwester Kusum, die beide nur bis zur 3. Klasse zur Schule gingen. Während die Eltern tagsüber als Tagelöhner arbeiten, kümmert sich Priti um den Haushalt und Kusum versorgt die beiden jüngeren Geschwister. Für den Schulbesuch ist keine Zeit. In den ersten Gesprächen mit den Kinderrechtsaktivisten zeigt Kusum großes Interesse am Schulbesuch - sie möchte Lesen, Schreiben, Rechnen lernen. Daraufhin sprechen die Kinderrechtsaktivisten mit der Leiterin der örtlichen Grundschule, die sich über das Engagement ihrer ehemaligen Schülerinnen und Schüler freut und bereit ist, Kusum wieder in der Schule aufzunehmen. Im letzten Moment aber überlegt es sich Kusum anders: Da weder ihre große Schwester noch ihre Freundinnen zur Schule gehen, will auch sie nicht gehen. Doch entmutigen lassen sich die jugendlichen Aktivisten von solchen Rückschlägen nicht - sie wollen weiterhin in Kontakt mit Kusum und ihrer Familie bleiben und sind zuversichtlich, Kusum doch noch von den Vorteilen des Schulbesuchs überzeugen zu können. „Und wenn Kusum zur Schule geht, dann folgen ihr hoffentlich bald auch ihre Schwester und ihre Freundinnen und später die jüngeren Geschwister!“ hofft Hasina Khatun, die seit 2011 aktiv in der Jugendgruppe mitarbeitet.

 

Bankura
Kinderrechtsaktivistin Hasina Khatun im Gespräch mit der Familie Bauri: Warum gehen Priti und Kusum nicht zur Schule? Welche Möglichkeiten gibt es, damit sie in die Schule zurückkehren?
Foto: Thoughtshop Foundation

Angeleitet werden die über 50 Jugendlichen im Alter von 18 bis 25 Jahren von unserem Partner Thoughtshop Foundation, der über jahrelange Erfahrung im Aufbau von jugendlichen Aktionsgruppen verfügt. In den vergangenen zwei Jahren fanden drei mehrtägige Ausbildungs- und Vernetzungstreffen für die Jugendlichen statt, bei denen zunächst die Gruppenbildung und die Vermittlung von Wissen über Kinderrechte und über Möglichkeiten von deren Umsetzung im Mittelpunkt standen. Dabei erhielten die Jugendlichen sehr praxisbezogene Materialien an die Hand, die sie für ihre Arbeit in den Dörfern einsetzen können. Besonders beliebt ist das Spiel zum Thema „Kinderrechte - Kinderarbeit“, das für die Thematik sensibilisiert und vor allem durch seinen bunten Spielplan und die informativen Bildkarten Kinder und Erwachsene gleichermaßen begeistert. Fragebögen, Auswertungslisten etc. helfen den Jugendlichen, die Situation in ihrem Dorf zu erfassen und mögliche Problemfelder zu identifizieren sowie ihre Aktivitäten und Fortschritte zu dokumentieren. Bei Fragen und Problemen können sie sich jederzeit an ihre Anleiter wenden, die halbjährlich alle Gruppen besuchen, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen.

Höhepunkt des letzten Treffens in Kalkutta im Januar war die Eröffnung eines eigenen Email-Accounts für jede Gruppe, über die sie sich untereinander und mit der Thoughtshop Foundation austauschen können. Für die meisten Jugendlichen, die alle selbst aus den Projektdörfern stammen, war es der erste Kontakt mit einem Computer und dem Internet, und voller Stolz stellten sie sich und ihre Gruppe per Email bei den Indienhilfe-Büros in Herrsching und Kalkutta vor.

Aufbauend auf der erfolgreichen Gruppenbildung in den letzten beiden Jahren sollen nun in den nächsten drei Jahren die Gruppen weiter gefestigt werden, z.B. durch die Eröffnung eines eigenen Bankkontos für jede Gruppe und das Führen einer Barkasse. Ferner ist geplant, dass jede Gruppe ein eigenes kleines Entwicklungsprojekt weitgehend eigenständig durchführt, das je nach Bedarf mit Bildung oder einem anderen Kinderrecht zu tun hat. Nach erfolgreichem Abschluss erhalten sie eine kleine Bonus-Zahlung auf ihr Konto, von der sie weitere Maßnahmen finanzieren können. Ein weiterer Schwerpunkt soll in den nächsten Jahren auf die Förderung der Fähigkeiten und Kompetenzen der Kinderrechtsaktivisten gelegt werden, was ihnen bei ihrem beruflichen Werdegang weiterhelfen soll. Gerade in den ländlichen Gebieten ist die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch und viele gut ausgebildete Jugendliche ziehen in die Städte, um dort zu arbeiten. Um dieser Abwanderung entgegen zu wirken, sollen die Kinderrechtsaktivisten unterstützt werden, in ihren Dörfern Arbeit zu finden, z.B. als Sozialarbeiter bei einer lokalen Entwicklungsorganisation oder als Vertrauenslehrer an der örtlichen Schule.

Auch wenn die Kinderrechtsaktivisten unabhängig von unseren Partnerorganisationen in den jeweiligen Distrikten tätig sind, so tragen sie doch einen wesentlichen Baustein zu unserem Ziel bei, allen Kindern Zugang zu Bildung zu ermöglichen und Kinderarbeit abzuschaffen. Als Jugendliche haben sie einen direkteren und anderen Zugang zu den Kindern und können diesen als Vorbilder dienen. Als wichtige Impulsgeber in ihren Dörfern unterstützen sie die Projektarbeit unserer Partner vor Ort.

Fast 15.000 Euro benötigen wir in diesem Jahr für das Youth Action Group Projekt. Bitte spenden Sie unter dem Stichwort „YAG“!


Indienhilfe-Herbstinfo 2011:

Kinderarbeit? - Nicht in unserem Dorf!“

Modellprojekt des "Indienhilfe-Netzwerks gegen Kinderarbeit" auf drei Kommunen ausgeweitet

(Sabine Dlugosch)

Brueckenschule
Kinder in der Brückenschule beim gegenseitigen Unterricht. Foto: IH

Schon von weitem höre ich die Kinderstimmen - „Ek, dui, tin….One, two, three….“. Über den ganzen Hof verteilt stehen Gruppen von drei, vier Kindern. Eines übernimmt die Rolle des Lehrers, im Zickzack fährt sein Finger über die einzelnen Buchstaben und Zahlen auf der Karte in seiner Hand, die anderen Kinder müssen sie entsprechend vorlesen. Die älteren Kinder haben Karten mit ganzen Wörtern und einfachen Rechenaufgaben, die sie bearbeiten müssen. Der Lärmpegel ist hoch, doch die Freude der Kinder am Lösen der Aufgaben ist deutlich zu spüren. Das Lernen ist nicht selbstverständlich für sie. Alle sind ehemalige Kinderarbeiter, die die Grundschule vorzeitig abgebrochen haben und sich nun in der Brückenschule auf die Wiedereinschulung in die ihrem Alter entsprechende Klasse vorbereiten.

Einer von ihnen ist der zehnjährige Sekh, der seit knapp einem Jahr in der Brückenschule lebt. Er stammt aus dem Dorf Shimla, einem der 56 Dörfer, in denen das "Indienhilfe-Netzwerk gegen Kinderarbeit" modellhaft jegliche Form von Kinderarbeit abschaffen möchte. Dabei gehen die Kinderrechtsarbeiter strategisch vor: zunächst identifizieren sie in allen Dörfern jedes Kind, das nicht zur Schule geht, egal, ob es einer Erwerbsarbeit nachgeht, im Haushalt oder Familienbetrieb hilft oder aus anderen Gründen nicht zur Schule geht. Knapp 1.000 Kinder sind es in den drei Kommunen in Westbengalen und Orissa, für die nun individuelle Maßnahmen zur Wiedereinschulung ausgearbeitet werden. Kinder, die die Schule erst vor wenigen Tagen oder Wochen abgebrochen haben, können recht schnell wieder zur Teilnahme am Unterricht motiviert werden. Den verpassten Unterrichtsstoff können sie in kurzer Zeit nachholen. Schwieriger ist es für Kinder, deren Schulabbruch länger zurückliegt. Für sie organisieren die Kinderrechtsarbeiter jährlich ein dreitägiges Camp, in dem sie auf spielerische Weise zur Rückkehr in die Schule motiviert und über ihre Kinderrechte aufgeklärt werden. Nach dem Camp können einige Kinder direkt eingeschult werden.

Doch manche Kinder sind zu alt für die Klasse, die ihrem Wissensstand entspricht, oder ihre Familien sind gegen den Schulbesuch. So auch im Fall von Sekh: Über ein Jahr arbeitete er im Betrieb seines Onkels und verdiente sein eigenes Geld. Einen Teil gab er der Mutter, den Rest verwendete er für Zigaretten und andere Vergnügungen. Im Prinzip möchte er, motiviert durch das Kinderarbeiter-Camp, in die Schule zurückkehren, doch fällt es ihm schwer, von seinen alten Gewohnheiten loszukommen. Und auch der Onkel möchte ihn nicht als billige Arbeitskraft verlieren. Nach zahlreichen Gesprächen mit der Familie, den Nachbarn und den Dorfbewohnern zieht Sekh in die Brückenschule um. Dort lernen die ehemaligen Kinderarbeiter nach einem speziellen didaktischen Konzept individuell entsprechend ihrer eigenen Geschwindigkeit und Fähigkeiten und unterrichten gleichzeitig andere Kinder in den Inhalten, die sie bereits gelernt haben. Durch die räumliche Trennung von ihrer Familie und ihrem Dorf fällt es den Kindern leichter, sich auf das Lernen zu konzentrieren. Die meisten können nach einem Jahr in die staatliche Schule in ihrem Heimatdorf zurückkehren. Dort werden sie weiterhin von den Kinderrechtsarbeitern betreut, um zu verhindern, dass sie trotz aller guten Vorsätze die Schule erneut abbrechen.

Neben der direkten Arbeit mit den Kindern entwickeln die Kinderrechtsarbeiter verschiedenste Methoden, um bei der gesamten Dorfbevölkerung ein Bewusstsein für Kinderrechte, vor allem das Recht auf Bildung, zu schaffen. Dafür organisieren sie mindestens einmal im Jahr eine Demonstration, bei der die Kinder die Wahrung ihrer Rechte fordern.

YAG
In diesem Jahr werden in allen von uns unterstützten Projekten Jugendliche zu Kinderrechtsaktivisten fortgebildet. In einem gemeinsamen mehrtägigen Training lernen sie, sich als Youth Action Groups auf Distriktebene zu organisieren, um sich für die Einhaltung der Kinderrechte in ihren Dörfern zu engagieren, und welche Maßnahmen sie bei Verstößen gegen die Kinderrechte ergreifen können. Foto: IH (Thoughtshop Foundation)

 

Wandanschriften auf dem Marktplatz oder an belebten Kreuzungen erinnern die Dorfbewohner immer wieder daran, dass Kinderarbeit illegal ist und jedes Kind ein Recht auf Bildung hat. Arbeitgeber, die trotz mehrfacher Hinweise Kinder beschäftigen, werden in einer öffentlichen Zeremonie dafür „ausgezeichnet“, dass sie Kinder beschäftigen und ihnen den Zugang zu Bildung verwehren - auch so kann Bewusstsein entstehen. Als zentrale Anlaufstelle bei Feststellung von Verstößen gegen Kinderrechte gründen die Kinderrechtsarbeiter in jedem Dorf ein sog. „Child Rights Protection Forum“, in dem sowohl engagierte Bürger als auch Vertreter von Gemeinderat und Gemeindeverwaltung vertreten sind. Ziel ist es, in allen Dörfern ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in dem Kinderarbeit geächtet und der Schulbesuch für jedes Kind eine Selbstverständlichkeit ist.

In diesem Jahr benötigen wir 25.000 Euro für die Aktivitäten des "Indienhilfe-Netzwerks gegen Kinderarbeit", das neben dem Modell-Projekt in den drei Kommunen in allen unseren Projektgebieten Maßnahmen zur Sensibilisierung für Kinderrechte und gegen Kinderarbeit durchführt. Bitte spenden Sie unter dem Stichwort „Kinderarbeit“!


Indienhilfe-Herbstinfo 2010:

Kabita darf wieder in die Schule gehen!
Indienhilfe-Netzwerk gegen Kinderarbeit setzt sich für Kinderrechte ein

(Sabine Dlugosch)

“Kabita arbeitet nun bei einer Familie in Farakka (im nördlichen Westbengalen) und verdient jeden Monat 900 Rupien (ca. 16 Euro).” erklärt Shaktipada Hatui den Nachhilfe-Lehrern Nilkanta Pani und Sukhendu Bera, als sie sich nach dem Verbleib ihrer zwölfjährigen Nachhilfe-Schülerin erkundigen. Für den Vater ist es selbstverständlich, dass er die jüngste seiner vier Töchter zur Arbeit schickt, nachdem er die älteren Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren verheiratet hat. Doch die beiden Mitarbeiter unseres Partners Ektagram Vikas Samiti (s. S. 2) lernten im Januar 2010 bei einer vom Indienhilfe-Netzwerk gegen Kinderarbeit1) organisierten Fortbildung, wie sie die geltenden Gesetze zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren umsetzen können. Nach erfolglosen Gesprächen mit dem Vater und dem Arbeitgeber drohten die beiden schließlich mit rechtlichen Schritten gegen die illegale Beschäftigung des Mädchens, woraufhin Kabita in ihr Heimatdorf zurückkehren konnte. Heute lebt sie bei ihrer Tante, die ihr den Schulbesuch ermöglicht. Doch nach Kabitas Rückkehr schickt der uneinsichtige Vater ihren 14jährigen Bruder zur Arbeit nach Kalkutta und Nilkanta und Sukhendu beginnen erneut mit ihren Gesprächen ...

Adivasi Junge
Stolz zeigt mir der Adivasi-Junge seinen Beitrag. Für Kinder in dieser abgelegenen Gegend ist die öffentliche Präsentation etwas ganz Besonderes.
Foto: Sabine Dlugosch

Der Fall zeigt, wie schwierig der Kampf gegen die in Indien immer noch weit verbreitete Kinderarbeit ist, die ihre Ursache vor allem im mangelnden Bewusstsein für die Notwendigkeit des Schulbesuchs und die Einhaltung der Kinderrechte hat. Mit gezielten Fortbildungsmaßnahmen zu einzelnen Kinder- und Menschenrechtsaspekten arbeitet das Indienhilfe-Netzwerk gegen Kinderarbeit (IHNACL) für die gesellschaftliche Ächtung jeglicher Form von Kinderarbeit in den Projektgebieten. Nach einer allgemeinen Einführung in die gesetzlichen Grundlagen sind dieses Jahr vertiefende Seminare über das Recht auf Bildung sowie das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung geplant. Der „Right to Education Act“ trat am 1. April 2010 indienweit in Kraft und legt die Minimalanforderungen an staatliche Schulen fest, um allen Kindern von sechs bis vierzehn Jahren den freien und kostenlosen Zugang zu qualitativer Bildung zu ermöglichen. Wie sie die neuen Gesetzesvorgaben konkret auf Dorfebene umsetzen können, lernen Projektmitarbeiter, Lehrkräfte und Lokalpolitiker bei einer von einem auf Menschenrechte spezialisierten Anwalt durchgeführten Schulung zum Recht auf Bildung. Das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung hat die UN-Generalversammlung am 28. Juli 2010 in den Katalog der Menschenrechte aufgenommen, um allen Menschen weltweit den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu sichern2). Aktive Jugendliche aus den Projektdörfern lernen bei einem Workshop, wie sie in ihren Dörfern den Bau einfacher Latrinen unterstützen und die Dorfbewohner zu deren Nutzung sowie zu einfachen Hygienemaßnahmen anleiten können.

Gleichzeitig setzt das Netzwerk seine Sensibilisierungskampagne mit öffentlichen Anschlagtafeln fort, um bei einer breiten Bevölkerungsschicht das Bewusstsein für die Problematik der Kinderarbeit zu stärken. Im letzten Jahr verteilten die Partner 245 solcher Tafeln an staatliche Schulen in ihren Projektgebieten und übertrugen den Lehrkräften die Verantwortung für deren Gestaltung mit Texten und Zeichnungen zum Thema Kindheit und Kinderarbeit. Teilweise waren die Texte und Bilder über Kinderarbeit sehr nachdenklich, teilweise waren es Kinderbilder mit ländlichen Alltagsszenen3). Auch wenn nicht alle Beiträge direkten Bezug zu Kinderarbeit und Kinderrechten haben, bieten die Tafeln Kindern aus extrem abgelegenen Gegenden eine bis dato unbekannte Möglichkeit, ihren Gedanken und Vorstellungen öffentlich Ausdruck zu verleihen. Die Beschriftung aller Tafeln mit dem NetzwerkSlogan „Combat Child Labour - Call for Child Rights“4) verweist jedoch stets auf das Hauptanliegen der Tafeln: die Abschaffung von Kinderarbeit und die Einhaltung der Kinderrechte.

In diesem Jahr bewilligten wir 13.900 € für die Aktivitäten des Indienhilfe-Netzwerks gegen Kinderarbeit (z.B.: 1.000 € für die Fortbildungen zum Recht auf Bildung und Recht auf Wasser; 4.000 € Jahreskosten für die Brückenschule zur Reintegration von 20 Kinderarbeitern, d.h. 200 € ermöglichen einem Kinderarbeiter innerhalb eines Jahres die Rückkehr in eine staatliche Schule!)

Spenden-Stichwort „IHNACL“!

 

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1) In dem Netzwerk, das 2005 von der Indienhilfe initiiert wurde, arbeiten alle unser Partnerorganisationen im Kampf gegen Kinderarbeit eng zusammen, koordiniert werden die Aktivitäten von Sibani Bhattacharya, der Leiterin unseres Kalkutta-Büros.

2) Durchfallerkrankungen aufgrund unsauberen Trinkwassers gehören, neben der weit verbreiteten Unterernährung (in Indien leiden immer noch 175 Millionen Kinder (= Hälfte aller Kinder in Indien) an Unterernährung), weltweit zu den häufigsten Todesursachen von Kindern unter 5 Jahren.

3) Ein Heft mit ausgewählten Texten und Bildern und Informationen zur Kampagne kann ab Oktober gegen Spende bei uns angefordert werden.

4) "Stoppt Kinderarbeit - fordert die Kinderrechte ein"


Indienhilfe-Herbstinfo 2009:

„Schule statt Kinderarbeit“ - Kinderarbeiter demonstrieren für ihr Recht auf Bildung
(Sabine Dlugosch)

Kinderarbeiter Demo
Dicht gedrängt stellen sich die Kinder für die Demo auf . Die Schrift der Plakate hatten die Projektmitarbeiter vorgezeichnet, die Kinder malten sie aus. Foto: Vikas Kendra

„Schulbesuch - für jedes Kind!“ „Schule statt Kinderarbeit!“ Voller Spannung und Begeisterung zogen am 12. Juni 2009, dem weltweiten Tag gegen Kinderarbeit, über 50 Kinderarbeiter durch die Dörfer der Kommune Atghara-Jasaikati im Projektgebiet unseres Partners Vikas Kendra, etwa 50 km von Kalkutta entfernt, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und ihr Recht auf Bildung einzufordern. Einige Wochen später, am 9. August, fand die nächste Demonstration mit den gleichen Forderungen in der benachbarten Kommune Tepul-Mirzapur statt, an der sich 46 Kinderarbeiter beteiligten.

Die Demos bildeten jeweils den Abschluss eines dreitägigen Kinderarbeiter-Camps, das die acht- bis dreizehnjährigen Mädchen und Jungen, die einer täglichen Erwerbsarbeit z.B. im Teeladen, auf den Feldern, als Fahrradmechaniker und Haushalts-hilfen oder im Altglas- und Batterie-Recycling nachgehen, für eine Wiedereingliederung in das Schulsystem motivieren sollte. Neben den thematischen Diskussionen und Arbeitsgruppen stand vor allem das Vergnügen der Kinder im Vordergrund, um ihnen die Angst vor dem Schulbesuch zu nehmen - viele brachen die Schule aufgrund schlechter Erfahrungen mit dem Lehrer ab, die bis zu Schlägen reichen. Geschichten, Lieder und Tänze sowie die Gestaltung der Demo-Plakate regten die Kinder, die sonst kaum Zeit haben, ihre Kindheit zu genießen, zu Kreativität an.

Von den teilnehmenden 96 Kindern konnten bereits 50 Kinder wieder in die staatlichen Schulen integriert werden. Um ihren erneuten Schulabbruch zu verhindern, nehmen sie nachmittags am Nachhilfeunterricht teil und können sich bei Fragen und Problemen jederzeit an die Projektmitarbeiter wenden, die sich nun um die Einschulung der restlichen Kinder kümmern.

Das Kinderarbeiter-Camp ist Teil der Initiative des von der Indienhilfe mit ihren acht indischen Projektpartnern ins Leben gerufenen Netzwerks gegen Kinderarbeit, zunächst in zwei Kommunen mit insgesamt ca. 45.000 Einwohnern jegliche Form von Kinderarbeit abzuschaffen. Nach der bereits erfolgten Identifizierung von etwa 600 Kinderarbeitern in den Dörfern  -  bei jedem Kind im Schulalter, das nicht zur Schule geht, kann man von Kinderarbeit ausgehen - werden die Familiensituation und die Ursachen für den Schulab-bruch eruiert und ein individueller Plan für die Wiedereinschulung ausgearbeitet. Wichtig dabei ist vor allem die Schaffung des Bewusstseins für Notwendigkeit und Nützlichkeit des Schulbesuchs auf allen Ebenen - bei den Kindern, wie bei den Eltern, den Dorfbewohnern und den Politikern in den Dörfern. Die Schulpflicht muss ernst genommen werden und eine Nicht-Einhaltung darf nicht toleriert werden, denn nur mit elementarer Bildung haben die Kinder eine Chance, dem Teufelskreis von Armut und Analphabetismus zu entkommen.

Grundschulbildung für alle Kinder bis zum Jahr 2015 ist das zweite Millenium-Entwicklungsziel (MDG). Noch ist Indien weit davon entfernt: Beim Unesco Education for All Development Index (EDI) 2009 belegte Indien Rang 102 (von 129) - weit abgeschlagen hinter anderen Schwellenländern wie China (59) und Brasilien (80) und findet sich in einer Kategorie mit den ärmsten afrikanischen Ländern (Lesotho 103, Ruanda 114, Äthiopien 125, Tschad 129)1). Trotz Schulpflicht und zahlreicher Gesetze zum Verbot von Kinderarbeit hat Indien weltweit immer noch die höchste Zahl ar-beitender Kinder. Aufgrund der hohen Beschäftigungsraten im informellen Sektor sind genaue Zahlen schwierig zu erheben, aber Schätzungen liegen zwischen 60 und 115 Millionen2). Die Abschaffung der Kinderarbeit und die Gewährleistung von Zugang zu Bildung für alle Kinder gehört zu den größten Herausforderungen Indiens im 21. Jahrhundert, denn die Masse heranwachsender Analphabeten, denen heute der Schulbesuch verwehrt bleibt, stellt eine massive Bedrohung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung Indiens und der Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen für alle Einwohner dar.

Neben der entsprechenden Gesetz-gebung ist das weltweite Bewusstsein für das Recht jedes Kindes auf qualitative Bildung entscheidend, um Kinderarbeit dauerhaft abzuschaffen. Während wir dieses Bewusstsein durch unsere entwicklungspolitische Bildungsarbeit in Deutschland zu schaffen versuchen, hat es sich das Netzwerk gegen Kinderarbeit unserer indischen Partner neben der modellhaften Arbeit in den Dörfern zur Aufgabe gemacht, bei einer breiten Bevölkerungsschicht - arm wie reich, Stadt und Land - ein Bewusstsein für die Problematik der Kinderarbeit und für das Recht jedes Kindes auf Bildung zu schaffen. Hierbei gilt es, vor allem die Mittelschicht für das Thema zu sensibilisieren und die „soziale Apathie“ zu überwinden, die in vielen Fällen Kinderarbeit als unvermeidbar in Armutssituationen betrachtet3).

Die Aktivitäten des Netzwerks sind vielfältig: 2008 wurde ein Kinderarbeiter-Kalender mit Gedichten und Zeichnungen von Kinderarbeitern und Gesetzestexten erstellt und an staatliche Einrichtungen (Gemeindeverwaltungen, Schulen) und Multiplikatoren (andere NGOs) verteilt. Dieses Jahr wurden in allen öffentlichen und privaten Schulen in den Projektgebieten unserer Partner Infotafeln angebracht, die von den Schülern unter dem Motto „Combat Child Labour - Call for Child Rights“ gestaltet werden sollen, um sie anzuregen, sich mit Menschenrechten und dem Problem der Kinderarbeit auseinanderzusetzen. Ergänzt werden die Tafeln mit aktuellen Meldungen durch die Lehrkräfte und Projektmitarbeiter.

Für die Aktivitäten des Netzwerks gegen Kinderarbeit haben wir 8.800 Euro bewilligt. 6.000 Euro fehlen uns noch - bitte spenden Sie unter dem Stichwort „Kinderarbeit“!

Besonders danken wir der Christian-Morgenstern-Volksschule Herrsching, die mit ihrem Flohmarkt „Kinder für Kinder“ am 19.6.09 über 800 Euro zu Gunsten des Netzwerks gegen Kinderarbeit erwirtschaftet hat.

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1) http://www.unesco.org/education/gmr2009/press/efagmr2009_Annex1_EDI.pdf

2) Blakely, Rhys: „The abandoned generations: how child labourers suffer as India ignores the law“, in: The Times, 15.10.09

3) Untersuchungen zeigen jedoch, dass das Einkommen der Eltern in einem Gebiet steigt, sobald Kinderarbeit dort flächendeckend abgeschafft werden konnte.


Indienhilfe-Herbstinfo 2009:

30 Euro pro Jahr sichern den Nachhilfe-Unterricht für ein Kind und verhindern Kinderarbeit

Das Thema Kinderarbeit beschäftigt unsere Projektpartner nicht nur im Rahmen der Netzwerk-Aktivitäten. Alle Projekte haben die Verbesserung der Lebensbedingungen der Kinder zum Ziel. Neben der Gesundheitsversorgung und der Arbeit mit den Familien, vor allem den Frauen-Selbsthilfegruppen (SHGs), ist Bildung zentraler Bestandteil aller von der Indienhilfe unterstützten Maßnahmen. So auch im Integrierten Entwicklungsprojekt West Midnapur, wo unser Projektpartner Seva Kendra Calcutta in 55 Dörfern eines sehr abgelegenen Stammesgebietes arbeitet:

Bis vor kurzem war der Schulbesuch keine Selbstverständlichkeit für die 1.500 Adivasi-Kinder - Kinderarbeit die Regel. Durch die jahrelangen von der Indienhilfe unterstützten Projektaktivitäten besuchen mittlerweile fast alle Kinder die örtlichen Regierungsschulen. Die Kinder sind meist „first generation learners“, d.h. ihre Eltern sind Analphabeten und können sie nicht bei den Hausaufgaben unterstützen. Zudem ist die Unterrichtssprache Bengali den Santals und Lodhas mit ihren je eigenen Stammessprachen nicht vertraut. Damit die Kinder dem Unterricht folgen können und den Schulbesuch nicht vorzeitig abbrechen, bieten 56 Nachhilfezentren den Kindern Hausaufgabenhilfe und individuelle Förderung an. Kulturelle Aktivitäten wie Tanz und Gesang tragen dazu bei, die Stammeskultur der Kinder zu bewahren. Im Rahmen der Umwelterziehung lernen die Kinder, ihre Umwelt zu beobachten, Veränderungen wahrzunehmen und die natürlichen Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Monatlich überwacht ein Arzt den Gesundheitszustand und die körperliche Entwicklung der Kinder und stellt die medizinische Versorgung sicher. Die Lehrer berufen regelmäßig Treffen mit den Eltern ein, um Themen wie persönliche Hygiene, richtige Ernährung, Wert von Bildung etc. zu diskutieren.

Über 50.000 Euro haben wir dieses Jahr für 56 Nachhilfezentren im Midnapur-Distrikt bewilligt - nur 900 € im Jahr betragen die Kosten für den Betrieb eines Zentrums. Lern- und Lehrmaterialien und medizinische Versorgung für jeweils 30 bis 40 Kinder sowie das Jahresgehalt des Lehrers sind darin enthalten. Wir danken unter anderem den Weltläden Kitzingen, Schrobenhausen und Würzburg sowie einigen anderen Spendern für die bisherige Unterstützung! Doch immer noch fehlen uns 30.000 Euro! Spenden-Stichwort „IDP Midnapur“