Berichte

 „Wir wurden wie sehr gute Freunde mit sehr großer Herzlichkeit empfangen!“

Teilnehmer der Gruppenreise nach Indien im letzten Winter berichten

„Bereits auf der ersten Autofahrt kam ich mir vor wie in einem „Wimmelbuch“, einem dieser Kinderbücher mit besonders vielen gemalten Eindrücken auf jeder Seite. Dieser wunder­bare Eindruck des Übervollen hat mich die ganze Reise lang nicht wieder verlassen“, fasst Karin Degenhart, Lehrerin am Christoph-Probst-Gymnasium Gilching (CPG) und Leiterin der Indien-Schülergruppe, ihre Erlebnisse der Gruppenreise mit Marion Schmid, Indienhilfe, nach Westbengalen vom 27. Dezember 2017 bis 12. Januar 2018 zusammen. Das abwechs­lungsreiche Begegnungs­programm umfasste Projekt­besuche, intensiven Austausch mit Mitarbeitern und Projekt­partnern der Indienhilfe sowie mehr­tägige Aufenthalte in Herrschings Partnergemeinde Chatra und in Kolkata. Ein Thema, das die Gruppe tief bewegte, war die hautnahe Erfahrung von Kinderarbeit. Hans Alzinger, seit der Reise Mitglied im Arbeitsausschuss der Indienhilfe, berichtet: „Über Kinderarbeit hatte ich vor dieser Reise immer wieder gehört und gelesen, als Problem war sie mir also schon lange bewusst. Auf der Reise bin ich ihr aber das erste Mal ganz real begegnet, das erste Mal gleich am zweiten Tag, wo wir Jungen und Mädchen im schulpflichtigen Alter in Ziegeleien harte körperliche Arbeit verrichten sahen.“ Karin Degenhart ergänzt: „Die Jüngsten der Kinder waren vielleicht acht oder neun Jahre alt. Die Mädchen trugen bis zu zehn Ziegel auf ihren Köpfen, die Jungs hatten wenigstens Schubkarren. Eigentlich sollten diese Kinder in einer Schule sitzen, stattdessen müssen sie als Arbeitssklaven schuften, oft um die Schulden ihrer Eltern bei den Fabrikbesitzern abzu­arbeiten. Davon nicht nur zu lesen, sondern das dann wirklich zu sehen, das hat schon noch mal eine andere Qualität und geht einem so schnell nicht mehr aus dem Sinn.“ Gleichzeitig erlebten die Reisenden, was in den Projekten gegen Kinderarbeit getan wird. Hans Alzinger berichtet: „Wie sehr es notwendig ist, Kinderarbeit zu bekämpfen und für diese Kinder Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stel­len, um ihnen eine möglichst große Autonomie und Existenz­sicherung im späteren Leben zu ermöglichen, habe ich auf dieser Reise sehr intensiv erfahren dürfen. Die Fahrt nach Gobindapur[1], einem Ort nahe der Grenze zu Bangladesch, der Besuch des dortigen Remedial Coaching Centre und beson­ders der anschließende Gang durch das Dorf, den wir zusam­men mit Mr. Halder und seinen Mitarbeitern unternehmen durften, hat einen der stärksten Eindrücke auf mich hinter­lassen. Bei dem Besuch im Dorf sind mir die Armut und die daraus sich ergebenden Probleme so greifbar verständlich geworden, gleichzeitig habe ich durch die Erläuterungen von Mr. Halder, dem Projektkoordinator, doch einen gewissen Optimismus verspüren dürfen, dass sogar solch schwer­wiegende Probleme, die die Bevölkerung ja jeden Tag neu erlebt, bei genügend Engagement und mit entsprechender Ausdauer und Zähigkeit und Kontinuität vielleicht doch irgendwann auch lösbar sein werden. Ich habe jedenfalls erfahren, wie elementar wichtig die Arbeit der Indienhilfe dort in Westbengalen ist, dass die Projekte sehr solide und sinnvoll aufgestellt sind und dass sie gute Ergebnisse zeitigen.“ Besonders beeindruckt war Karin Degenhart von der „Selbst­verständlichkeit, mit der die Menschen in den Projekten arbei­ten. Ich hatte nie den Eindruck, da ist jemand, der macht einen Job, weil er von etwas leben muss. Ich habe sehr viel wirk­liches Engagement erlebt. Und die Hilfe kommt direkt an, das haben wir in vielen Gesprächen mit den Betroffenen gehört. Auch hatte ich den Eindruck, die Helfer binden diejenigen, denen sie durch ihr Projekt helfen, immer in besonderer Weise mit ein, geben also wirkliche Hilfe zur Selbsthilfe.“ Wally Guess, bis zu ihrer Pensionierung vor zwei Jahren acht­zehn Jahre lang Koordinatorin der Indiengruppe Vikas (= Ent­wicklung auf Bengali) und der Schulpartnerschaft mit den High Schools in Chatra am CPG, die bereits zuvor an Gruppenreisen teilgenommen hat, stellt fest: „Im Vergleich zu meinen Projektbesuchen 2002/03 und 2004 hat eine beein­druckende Professionalisierung stattgefunden. Entwicklungs­hilfe ist nicht Almosengeben, Verteilen von Hilfsgütern oder Belehren, sondern ein gemeinsam entwickeltes und verein­bartes Programm zur Erreichung selbst gesteckter Ziele oder, wie Rusha, die Indienhilfe-Expertin vor Ort, sagen würde, zur Verwirklichung seiner Träume.“ Als „das Kernstück der Reise“ bezeichnet CPG-Geographie-Lehrer Christoph Habich den Aufenthalt in Chatra, „weil hier die langjährigen Beziehungen weitergesponnen wurden, wir viel intensive Zeit mit unterschiedlichen Leuten verbrachten und in Familien wohnten.“ Bei der ganzen Reise begleiteten in der Partnerschaft engagierte Bürger Chatras die Herr­schinger Reisegruppe, so dass es viel Gelegenheit zum inten­siven Austausch gab. In ihren Gastfamilien in Chatra erlebten die deutschen Gäste indischen Alltag. Besonders beeindruckte sie die Gastfreund­schaft: „Unsere Gastgeber in den Familien, an den Schulen, im Rathaus, im Adivasi Para[2] und wo immer wir sonst noch hinkamen, lasen uns jeden Wunsch von den Augen ab. Wir wurden überall mit offenen Armen empfangen“, erzählt Karin Degenhart.

Fasziniert war Wally Guess vom Besuch des Panchayat (= Ge­meinderats) in Chatra, „wo wir viel über die Gemeindearbeit, über Regierungsprogramme sowie das Denken und Engage­ment einzelner Mitglieder erfuhren. Armutsbekämpfung, Umweltschutz, Versorgung auch der Ärmsten mit sauberem Wasser und sogar die Gestaltung eines Naherholungsgebiets für Menschen aus der nahe gelegenen Großstadt Kolkata sind wichtige Schwerpunkte der Arbeit.“ Doch trotz der Regie­rungsprogramme und des Engagements der Gemeinde Chatra gibt es dort vor allem in den von Adivasi bewohnten Dorf­teilen noch sehr große Armut, die Student Simon Degenhart tief bewegt hat: „In Chatra habe ich sehr große Armut gesehen, speziell unter den Adivasi. Als ich zum Kochen und Essen bei einer Adivasi-Familie war, erzählte uns die Tochter voller Scham, dass sie die Schule abgebrochen hat, um zum Unter­halt der Familie beizutragen. Es hat mich sehr beeindruckt, wie die Menschen mit ihrer Situation leben, mit ihr kämpfen, und dennoch so herzlich sind.“ Bestärkt in ihrem Engagement kehrten alle Reisenden von dieser „Begegnungsreise auf Augenhöhe mit vielfältigen Gelegenheiten zu hautnahen Erfahrungen in den Projekten, im Miteinander bei Besichtigungen und bei gemeinsamen Erleb­nissen“ zurück. Christoph Habich hat schon konkrete Pläne: „Es hat sich eine engere Zusammenarbeit des Christoph-Probst-Gymnasium mit der Indienhilfe entwickelt, z.B. die Verlegung einer Fachsitzung Geographie nach Herrsching. Außerdem überlegen wir, ein Seminar zu Indien für die Ober­stufe anzubieten.“ Doch auch in ihrer persönlichen Einstellung hat sich durch die Reise einiges verändert. Simon Degenhart, der zum ersten Mal in Indien und einem Land des Globalen Südens war, „kann sagen, dass ich Vieles mehr wertschätze als zuvor. Man sollte nichts für selbstverständlich halten, das fängt schon bei fließendem Wasser an. Auch die Müllproble­matik, Indien versinkt beinahe im Müll, hat mir sehr zu denken gegeben und ich achte mittlerweile sehr darauf, weniger wegzuwerfen. Ich bin neugieriger und mir meiner selbst bewusster. Ich gehe an Orte, an denen ich noch nie war, spreche mit Menschen, die ich nicht kenne, versuche zu beobachten, anstatt zu urteilen. Das gibt einem auch im eigenen Land sehr viel. Ich habe, und das gilt jetzt sehr allge­mein, gelernt, Vorurteile, nicht nur gegenüber den Indern, abzubauen und Menschen vorurteilsfreier gegenüber zu treten. Ich möchte also nicht sagen, dass sich mein Bild gewandelt hat, vielmehr, dass ich kein eindeutiges Bild mehr habe. Wäre ich mit neuen Stereotypen zurückgekommen, hätte ich gleich zuhause bleiben können.“ Christoph Habich fällt „der Kon­trast unserer Lebensweisen im Alltag auf: beim Essen mit Besteck, dem Trinken aus Gläsern, der Hygiene, dem Ein­kaufen, aber auch beim Umgang mit Leuten im Alltag. Themen wie Klimawandel, Ressourcennutzung oder Umwelt­verschmutzung bekommen eine andere Perspektive, sind aber dennoch universell bedeutungsvoll. Diese Änderung des Blickwinkels und das Verstehen einer anderen Einstellung sind unheimlich wertvoll, egal wohin man in der Welt fährt.“ Für die Reisenden war die Gruppenreise eine große Bereiche­rung und Karin Degenhart endet „mit dem Rat, unbedingt mal nach Indien zu fahren.“

[1] Adivasi-Siedlung im Ortsteil Ghoshpur, wo die Indienhilfe mit dem Partner adelphi research gGmbH Berlin und den Gemeindeverwaltungen Chatra und Herrsching seit 2016 an einer nachhaltigen Versorgung von 150 Adivasi-Haushalten mit arsenfreiem sauberem Trinkwasser arbeitet

[2] Gram Panchayat/Gemeinde im Projekt „Kinderarbeiterfreie Kommunen“ im North-24-Parganas Disrikt mit dem IH-Partner Seva Kendra Calcutta


Interviews zur Gruppenreise nach Indien 2017-18 der Indienhilfe e.V. Herrsching

Interview von Hans Alzinger (Mediziner, Forensische Psychiatrie)

Eurer Ankunft in Indien folgte ja gleich eine längere Zugfahrt nach Bolpur. Erinnerst Du Dich noch an Deine ersten Eindrücke/Gedanken auf der Fahrt durch Kolkata vom Flughafen zum Bahnhof und auf der Zugfahrt nach Bolpur?

Ja, daran erinnere ich mich noch sehr gut. Zunächst wurden wir ja am Flughafen bereits von einer recht großen Delegation des Indien-Büros begrüßt, es war sehr schön, nach dem langen Flug so in Kalkutta willkommen geheißen zu werden. Alles war bereits perfekt vorbereitet und wir mussten nur mehr unser Gepäck verladen und schon saßen wir im Auto und fuhren Richtung Büro, das ja im Süden der Stadt liegt. Wir fuhren eine der großen, gut ausgebauten Schnellstraßen im Osten der Stadt nach Süden, alles wirkte sehr modern diesmal, Science City passierten wir, Salt Lake, ein neues Fußballstadion, das für die im Jahr zuvor stattgefundene Jugend-Weltmeisterschaft errichtet worden war, passierten wir, und lange Zeit fuhren wir – ich saß mit Wally im Wagen an einer gerade im Bau befindlichen neuen U-Bahn-Linie, die auf hohen Betonstelzen den gleichen Straßenverlauf hat wie die Schnellstraße selbst, entlang. Weil ich dieses Mal nicht sofort in das „alte“ Kalkutta reinfuhr, wirkte – wie schon gesagt – diesmal alles zuerst sehr modern auf mich, so als wäre die Stadt nun wirklich auch im 20. Jahrhundert angekommen. Dieser Eindruck wurde zwar auch immer wieder „gestört“ – auf dem Mittelstreifen der Schnellstraße sah man durchaus auch Leute schlafen und so ganz war auch die in Indien und Kalkutta nebenbei und parallel bestehende Armut auch bei diesem ersten Eindruck nicht aus dem Blickfeld verschwunden. Wir wurden dann im Büro der Indienhilfe empfangen, wir konnten uns erfrischen, liebevoll für jeden einzelnen Teilnehmer vorbereitete Mappen mit den Unterlagen für den weiteren Reiseverlauf wurde uns übergeben, es war einfach alles sehr aufmerksam und bei mir hat das auch dazu geführt, dass ich mich vom ersten Augenblick an sehr, sehr wohl gefühlt habe auf der Reise. Einziges Manko zu diesem Zeitpunkt: Weil ich auch im Flugzeug immer nicht schlafen kann, war ich eigentlich schon sehr, sehr müde…. Vom Büro aus fuhren wir in ein Restaurant zum gemeinsamen Mittagessen – sehr gut und schmackhaft - , dabei waren schon viele der späteren Reisebegleiter mit dabei und wir konnten sie schon kennen lernen, erste Kontakte schließen. Nach dem Essen warteten die Wägen auf uns, die uns zum Bahnhof bringen sollten, besonders hab ich auf der Fahrt dorthin die Fahrt über die Howrah-Bridge in Erinnerung. Für mich war das innerlich das „Nun-ganz-in-Kalkutta-angekommen-sein“. Und ich war dann sehr überrascht, dass man in die Howrah-Station mit dem Auto einfahren kann, so dass wir ziemlich nahe an den Zügen parken und aussteigen konnten. Auch hier wieder – wie dann auch auf dem weiteren Verlauf der Reise - alles sehr gut organisiert….. Die Fahrt nach Bolpur im Zug war bei mir geprägt durch die Müdigkeit, ich hatte ja bis dahin praktisch ca. 30 Stunden nicht geschlafen. Trotzdem war die Fahrt schön, abwechslungsreich, die fliegenden Händler im Zug, ein indischer „Magier“, der kleine Zaubertricks vorführte, ein Baul-Sänger, all diese bunten Leute und Persönlichkeiten fand ich einfach interessant. Besonders erinnere ich mich an einen Verkäufer, der lange und ausführlich ein kleines Gerät demonstrierte, mit dem man den Saft aus einer Orange herausholen und sofort trinken konnte. Lauter so kleine Kuriositäten begleiteten die Zugfahrt. Was mir angenehm auffiel: bei meiner ersten langen Zugfahrt in Indien im Jahr 1980 waren die Züge geradezu überschwemmt von Bettlern, manche mit ganz abstrusen Körperfehlstellungen, wirklich mitleiderregend. Bettler habe ich auf keiner der Zugfahrten auf dieser Reise gesehen. Ich war froh, als wir endlich in Bolpur/Shantiniketam ankamen, wir fuhren mit Motor-Rikschas zum Haus der DRCSC, auch hier wieder freundlicher Empfang, dann Zimmer beziehen, Essen und – endlich – schlafen! Mit dem Besuch der von Tagore gegründeten Universität in Shantiniketam am 31.12.2017 ging ein jahrelang gehegter, großer Traum von mir in Erfüllung. Berührend und Eindrucksvoll: Guru khul, der Ort, an dem Tagore unter Bäumen gelehrt hat, und der Moment, als Rusha  uns vor der Prayer Hall zu einer kleinen Mediation einlud. Ein absolut stimmiger Augenblick, der mir aber auch den Eindruck vermittelt hat, wie tief in diesem Land Spirituelles in den Alltag integriert ist. Der Abend in Akhra, wo wir Baul-Songs und Baul-Musik kennenlernen durften, war ebenso ein absolutes Highlight für mich.

Einen großen Teil der Reise habt Ihr in Herrschings Partnergemeinde Chatra verbracht. Wie hast Du den Aufenthalt in Chatra erlebt, positiv wie negativ?

Zunächst war ich in Chatra über die Dimensionen, über die Weite der Wege, überrascht und irritiert. Die Stadt ist ja eigentlich eine Anhäufung von mehreren Dörfern, die sich über eine doch sehr große Fläche hinziehen. Auch der Übergang von Stadt zu Land ist überall sehr fließend, wie es – wenn es sich nicht gerade um die großen Megacities handelt – in Indien aber eigentlich überall so üblich ist. Die Orientierung ist mir anfangs relativ schwergefallen, was aber durch die begleitenden Mitarbeiter und Freunde der Indienhilfe vor Ort sehr gut kompensiert wurde. Hier muss ich einfach wieder die gute Organisation hervorheben. Ein Beispiel: An dem Abend, an dem wir die Adivasi-Familien besuchten, fuhren wir mit unserer Motor-Rikscha zunächst in eine relativ abgeschiedene Gegend und es machte den Anschein, dass der Fahrer sich nicht mehr so richtig auskannte. Wir standen da also für einige Minuten recht einsam im Dunkeln herum, plötzlich war wieder einer der Mitarbeiter da – das Problem war gelöst. So unkompliziert lief es eigentlich fast immer ab. Die Besuch der Schulen in Chatra waren für mich – auch wenn ich einer der Nicht-Lehrer war – sehr aufschlussreich, es hat mir Freude gemacht, plötzlich als Deutscher, Ausländer, „weißer Mann“, Besucher vor einer der Klassen zu stehen, zusammen mit einem Mitarbeiter, der für mich dolmetschte, die Fragen der Mädchen – es war in der Girls-Highschool – zu beantworten. Ich habe echtes Interesse der jungen Mädchen gespürt, hab mich bemüht, die Fragen so gut wie möglich zu beantworten und hoffe, dass ich unsere Gruppe hier gut dargestellt und vertreten habe. Der Besuch der Dakshin Chatra Boys Highschool war ebenso ein Höhepunkt, der Empfang auch hier überwältigend, das Essen im Speisesaal der Schüler gut, überall wurden wir auch hier mit offenen Armen empfangen. Im Showroom, wo die Schüler – ich glaube extra für unsere Gruppe – eine Menge Exponate vorbereitet hatten wurden uns Tätigkeiten und Projekte innerhalb der Schule vorgeführt, viele der Schüler erklärten uns mit Eifer ihre Werke. Sehr beeindruckend – wie auch in den anderen Schulen die von Schülern und Lehrern vorgetragenen Lieder und Tänze zu unserer Begrüßung. Mich hat dabei vor allem berührt, mich welchem Ernst, gleichzeitig aber auch eigener Betroffenheit, Berührtheit, wie authentisch Schüler minutenlang Gedichte rezitieren konnten oder Lieder und Tänze vortrugen, etwas, was es – so glaube ich – heute in unseren Schulen nicht mehr in dieser Form gibt. Der Stolz auf die eigene Nation, auf die eigene Geschichte, die eigene Kultur war dabei bei allen Schülern jeder Altersgruppe so deutlich spürbar, so passend, so selbstverständlich, die Identifikation mit dem Land so offensichtlich. Das hat mich tief beeindruckt. Eine nette kleine Erinnerung ist auch die kleine Unterrichtsstunde in Deutsch, die Christoph an der Anandaniketan-School abhielt. Ich habe sie in einem kleinen Video festgehalten, das ich sehr amüsant finde. Der Besuch im Rathaus (Chatra Panchayat), die Vorstellung durch den Bürgermeister, Mr. Malik, und seinen Mitarbeitern, die Diskussion der aktuellen Probleme, das alles in einer sehr großen Offenheit und in gegenseitigem Interesse, muss ich auch noch erwähnen. Eigentlich sind wir in Chatra von einem Höhepunkt zum anderen gefahren. Am 2.1.2018 war die Annäherung an den indischen Alltag besonders intensiv. Das war der Tag, an dem wir vor Ort „Feldforschung“ betrieben, Christoph und ich zusammen unter Mithilfe von Mitarbeitern und facilitators vor Ort in Papila. Wir erhielten alle gewünschten Auskünfte, alle Fragen wurden uns beantwortet, es gab keine Bereiche, die irgendwie bewusst ausgenommen wurden. Wir hatten Gelegenheit mit Dorfbewohnern zu sprechen, bekamen Details über deren alltägliches Leben geschildert und bekamen auch einen – kleinen – Einblick in Lebensweise, Infrastruktur, sozialen Kontext, und Problemstellungen. Der Abend mit der Adivasi-Familie wird mir unvergessen bleiben – eigentlich sollten wir ja mit den Familien kochen, ich als völlig ungeschickt in dieser Disziplin war da sicher eine Ausnahme, trotzdem war es für mich ein unvergesslicher Abend. Die Familie des Neffen von Bablu, in der ich Gast war, hat mich sehr freundlich aufgenommen und mich sehr freundlich bewirtet. Als Höhepunkt durfte ich dort eine besondere Zubereitung von Schnecken genießen, auf die die anderen Teilnehmer, die in Familien in der Nähe den Abend verbrachten, dann auch noch ganz neugierig waren. Und da der Hausherr, Mr. Sardar, auch Mitglied im water committee ist, konnte ich bei dieser Gelegenheit vieles über das aktuelle Wasserprojekt im Goshpur Adivasipara erfahren.  Eindrucksvoll auch an einem anderen Abend das Lagerfeuer im Adivasi-Para, bei dem traditionelle Tänze für uns aufgeführt wurden. Und so gäbe es noch eine ganze Menge Beispiele aufzuführen über den Aufenthalt in Chatra. Unterm Strich wahren es für mich sehr lehrreiche Tage voller Begegnungen und intensiver, neuer Eindrücke, für die ich sehr dankbar bin. Was mich gestört hat während des Aufenthaltes war bzw. was ich schon etwas negativ erlebt habe, war, dass wir manchmal die Leute so lange haben warten lassen. Das war teilweise so bei unseren Schulbesuchen, dass wir mit doch manchmal größerer Verspätung eingetroffen sind und unsere Gastgeber manchmal auf uns warten mussten. Das fand ich schade, in gewisser Weise unhöflich gegenüber diesen und ein wenig peinlich. Und: Das Programm war sehr eng terminiert – das habe ich mit Marion bereits diskutiert. Manchmal hätte ich mir ein bisschen mehr Freizeit gewünscht, um die unzähligen und manchmal doch sehr intensiven Eindrücke für mich besser ordnen zu können. Aufgrund des insgesamt sehr dichten Programms bin ich z.B. fast nicht dazu gekommen, Tagebuch zu führen, wie ich es auf solchen Reisen sonst immer sehr gerne mache. Sollte es zu einer Wiederholung der Reise kommen, würde ich mir da etwas mehr „Luft“ wünschen.

Ihr habt auch einige Projekte der Indienhilfe besucht. Was hat Dich bei den Projektbesuchen am meisten beeindruckt?

Tief beeindruckt hat mich so vieles, was ich während der Reise gesehen habe. Besonders beeindruckt war ich von den Projekten des DRCSC (Developement Research Communication and Services Centre). Dass hier Projekte durchgeführt werden, die zum einen sehr stark auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind, die gleichzeitig aber auch auf altes Wissen und traditionelle Techniken zurückgreifen, wie dieses zugrundeliegende Wissen den betroffenen Menschen vermittelt wird und wie auf diese Weise ganz konkret für viele arme Familien eine verlässliche Lebensgrundlage geschaffen wird, hat mich sehr angesprochen. Wir konnten die Ergebnisse ganz pragmatisch sehen und begreifen, als Beispiele möchte ich nur die an den Schulen vorgestellten eco classes und die Frauen-Selbsthilfegruppe in Tapaipur village erwähnen. Hier waren die Ergebnisse der Arbeit des DRCSC für mich deutlich greif- und erkennbar. Dass nebenbei ein Bewußtsein für ökologische Problemstellungen geschaffen werden soll und dass für diese dann häufig auch gleich in der Praxis versucht wird, eine Lösung zu finden, halte ich für einen guten Ansatz (Beispiele: Wasserspeicher-Maßnahmen, smokeless oven, grain bank, Vermeidung von chemischen Düngemitteln, gezielte Pflanzenauswahl, um Ernteerträge zu verbessern, etc.). Auch die Projekte, die zusammen mit dem SKC (Seva Kendra Calcutta) durchgeführt werden, muss ich unbedingt erwähnen. Wie sehr es notwendig ist, Kinderarbeit zu bekämpfen und für diese Kinder Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um ihnen eine möglichst große Autonomie und Existenzsicherung im späteren leben zu ermöglichen, habe ich auf dieser Reise sehr intensiv erfahren dürfen. Die Fahrt nach Gobindapur, eine Region, ein Ort nahe der Grenze zu Bangladesh, der Besuch des dortigen Remedial Coaching Centres (Duttapara Eastern Standadard MSK) und besonders der anschließende Gang durch das Dorf, den wir zusammen mit Mr. Halder und seinen Mitarbeitern unternehmen durften, hat einen der stärksten Eindrücke auf mich hinterlassen. Bei dem Besuch im Dorf ist mir die Armut und die daraus sich ergebenden Probleme so greifbar verständlich geworden, gleichzeitig habe ich durch die Erläuterungen von Mr. Halder doch einen gewissen Optimismus verspüren dürfen, dass sogar solch schwerwiegende Probleme, die die Bevölkerung ja jeden Tag neu er-leben, bei genügend Engagement und mit entsprechender Ausdauer und Zähigkeit und Kontinuität vielleicht doch irgendwann auch lösbar sein werden. Diese beiden Projektpartner und deren Projekte seien nur als Beispiel genannt. Genauso gut könnte ich auch die übrigen Projekte anführen. Ich hab jedenfalls erfahren, wie elementar wichtig die Arbeit der Indienhilfe dort in Westbengalen ist, dass die Projekte sehr solide und sinnvoll aufgestellt sind und dass sie gute Ergebnisse zeitigen.

Was hat Dich bei den Projektbesuchen am meisten schockiert?

Über Kinderarbeit hatte ich vor dieser Reise immer wieder gehört und gelesen, als Problem war sie mir also schon lange bewusst. Auf der Reise bin ich ihr aber das erste mal ganz real begegnet, das erstemal gleich am zweiten Tag des Aufenthaltes, wo wir auf unserem Kopai river treck Jungen und Mädchen im schulpflichtigen Alter in Ziegeleien körperlich harte Arbeit verrichten sahen, obwohl sie eigentlich in der Schule hätten sein müssen.

Welche Begebenheit auf Eurer Reise hat Dich besonders beeindruckt?

Siehe oben!

Was war für Dich das schlimmste Erlebnis der Reise?

Schlimme Erlebnisse gab es für mich eigentlich nicht!

Wenn Du Deine Reise-Erfahrungen in einem Satz zusammenfassen solltest, wie würde dieser lauten?

Obwohl ich schon mehrmals in Indien war, habe ich bei dieser Reise viele Dinge sehr viel näher und direkter mitbekommen und es war sehr bereichernd für mich, das Land und seine Menschen, aber auch einige der Probleme so nahe und intensiv erleben und erfahren zu dürfen.

Wahrscheinlich hattest Du vor Deiner Reise auch einige vorgefasste Indien-Bilder/Stereotype/Vorurteile über „die Inder“. Auf der Reise hattet Ihr Gelegenheit zu einem sehr engen Austausch und Kennenlernen mit den indischen Partnern. Wie hat sich Dein Bild von „den Indern“ durch die Reise gewandelt?

Es war nicht meine erste Indienreise. Mein Bild von „den Indern“ hat sich auch schon auf meinen früheren Reisen nach und nach gewandelt, da ich auch damals schon immer wieder dem indischen Alltag sehr nahegekommen bin. Ich würde also eher sagen, dass mein Bild auf dieser Reise durch ein größere Anzahl neuer Mosaiksteine ein wenig mehr vollständiger gemacht wurde. Ich erhielt jede Menge Anregungen, mich weiter mit diesem Land und seinen Menschen zu beschäftigen. Wohlgemerkt: Mein Bild ist immer noch nicht endgültig fertig und ich hoffe, dass ich noch mehrmals Gelegenheit bekomme, daran zu arbeiten!

Hat sich für Dich nach der Indienreise etwas geändert, z.B. an Deiner Einstellung, Deinem Lebensstil etc.? Wenn ja, was und in welcher Form?

Ich denke, dass sich auf alle Fälle auch auf dieser Reise etwas in meinem Bewusstsein verändert hat, dass es zumindest wieder ein wenig mehr zugenommen hat. Ich fühle mich durch die Erfahrungen und Eindrücke erneut bestätigt darin, wie wichtig es ist, hier auf eine durchdachte und möglichst sinnvolle Art und Weise unterstützend tätig zu werden. Die Reise war also insofern gut geeignet, mein eigenes Engagement zu stärken und mich weiter zu motivieren, in irgendeiner Form soziales Engagement zu leben! Eine kleine, sehr persönliche Anmerkung möchte ich vielleicht an dieser Stelle noch anbringen: Ich habe oben den Besuch in dem Dorf im Gobindapur GP erwähnt. Während wir mit Mr. Halder durch das Dorf gingen und wir mit all der Armut und den daraus sich ergebenden Problemen konfrontiert wurden, empfand ich ein sehr, sehr tiefes Gefühl von Dankbarkeit mein eigenes Leben betreffend, eine Dankbarkeit Gott oder dem Schicksal gegenüber, dafür, dass ich die Gnade geschenkt bekommen habe, in dem Teil der Welt und in der Umwelt, in der ich lebe, geboren worden zu sein. Dieses Gefühl habe ich dann den ganzen darauffolgenden Nachmittag mit mir herumgetragen, dort in Westbengalen, und es hat bis heute immer noch nicht aufgehört, ich spüre es immer noch. Ich hoffe, dass das jetzt nicht überheblich klingt. Diese Momente waren für mich vor Ort von einer nahezu spirituellen Dimension, sehr elementar und existentiell.

Ihr ward alle schon vor der Reise für die Indienhilfe aktiv. Hat sich in Deinen Aktivitäten nach der Reise etwas verändert? Wenn ja, was und in welcher Form?

Ich habe mich sehr darüber gefreut, als ich von der Indienhilfe angefragt wurde, ob ich Interesse und Lust hätte, im Arbeitsausschuss mitzuarbeiten. Mit Freude hab ich dies bejaht und ich hoffe, künftig einen sinnvollen Beitrag leisten zu können.

Für diejenigen von Euch, bereits früher an einer Gruppenreisen der IH teilgenommen haben:

Seit Deiner ersten Gruppenreise mit der IH ist einige Zeit vergangen. Welche Veränderungen hast Du wahrgenommen und welche haben Dich besonders überrascht/beeindruckt/schockiert?

Ich war zwar nicht an früheren Gruppenreisen der Indienhilfe teilgenommen, war aber in anderem Kontext seit 1980 mehrfach in Indien. Für mich augenscheinlich ist, dass Indien zum einen zwar in sehr großen Schritten in Richtung des 21. Jahrhunderts gegangen ist, ohne die jahrtausendealten Traditionen aus den Augen zu verlieren. In vieler Hinsicht ist Indien ein prosperierendes und reiches Land, es gibt eine breite Gesellschaftsschicht von ca. 300 Millionen Menschen dort, die hervorragend ausgebildet ist und als weitestgehend wohlhabend zu bezeichnen ist. In verschiedenen Technologien hat Indien ausgezeichnete Ressourcen und das Wirtschaftswachstum ist enorm. Gleichzeitig macht aber auch gerade diese Entwicklung die Kluft und den Gegensatz so deutlich, zeigt die Armut auf der anderen Seite so schrecklich klar. Diese enormen Gegensätze, die gleichzeitig durch kulturelle Gegebenheiten und Traditionen manchmal so verhärtet und dadurch manchmal auch fast unlösbar wirken, berühren mich immer wieder. Als ich 1980 zum ersten Mal in Indien war, hatte das Land eine Bevölkerung von 650 Millionen Menschen. Heute sind es zwischen 1,3 und 1,4 Milliarden Menschen, innerhalb von noch nicht mal 40 Jahren hat sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt. Und das kann man überall spüren: selbst in den Dörfern, die manchmal 50.000 Menschen zählen, auf dem Land, habe ich immer den Eindruck, dass überall so viele Menschen da sind, und subjektiv erlebe ich das immer so, dass es in Indien nirgends wirkliche Rückzugsmöglichkeiten gibt. Obwohl ich weiß, dass es nicht so ist, schockiert mich diese Bevölkerungsentwicklung immer wieder. Das andere, was mich immer wieder stört in Indien ist der Müll, der überall zu finden ist: in der Stadt, auf den Straßen, entlang der Bahntrassen, in den Dörfern, in allen Teichen und Seen, im Ganges, einfach überall. Ein Bild, in dem das für mich ein wenig zum Ausdruck kommt, und das ich während unserer „Feldforschung“ in Papila gemacht habe, füge ich dazu an.

Interview von Hans Alzinger zum Download!


 

Interview von Wally Guess (pensionierte Gymnasial-Lehrerin)

Erste Eindrücke

Riesige Freude über das Eintauchen in eine total andere Welt, die trotz des Wiedererlebens sehr starke Eindrücke vermittelt:

Welch ein Hupkonzert! Wie kann man nur auf die Wirkung seiner Hupe scheinbar blind vertrauen?

Wie schaffen die das, solche riesigen Lasten auf dem Kopf zu tragen?

Beim Vorbeifahren an einer Baracke mit Aufschrift "Blutspende" und verrosteten Dreirad-Gefährten: Hierhin möchte ich nicht zur Blutspende gehen!

Aufenthalt in Chatra

Wir wurden wie sehr gute Freunde mit sehr großer Herzlichkeit empfangen und gleichzeitig wie Fürsten beschenkt und geehrt, was mir fast peinlich war und was ich als Gabe an eine falsche Adresse empfand. Schade, dass wir für die Gastfamilien nur sehr wenig Zeit hatten und sie so immer wieder enttäuschen mussten, weil wir das Zeitraster im Programm nicht einhalten konnten.

Sehr aufschlussreich war der Besuch des Panchayats, wo wir viel über die Gemeindearbeit, über Regierungsprogramme sowie das Denken und Engagement einzelner Mitglieder erfuhren. Armutsbekämpfung, Umweltschutz, Versorgung auch der Ärmsten mit sauberem Wasser und sogar die Gestaltung eines Naherholungsgebiets für Menschen aus der nahe gelegenen Großstadt Kolkata sind wichtige Schwerpunkte der Arbeit des Panchayats.

Bei den Schulbesuchen hat mich das Engagement von Schülern und Lehrern beeindruckt, die es geschafft haben, uns in der ersten Woche des neuen Schuljahres mit Darbietungen und Ausstellungen dieser Qualität sowie den manchmal erst anlässlich unseres Besuches realisierten, doch trotz der Ferien sehr gepflegten, üppigen Schulgärten zu empfangen.

Beeindruckendes bei den Projektbesuchen

der ganzheitliche Ansatz und der überall spürbare Qualitätsanspruch

Im Vergleich zu meinen Projektbesuchen 2002/2003 und 2004 hat eine beeindruckende Professionalisierung stattgefunden.

Entwicklungshilfe ist nicht mehr Almosengeben, Verteilen von Hilfsgütern oder  Belehren, sondern ein gemeinsam entwickeltes und vereinbartes Programm zur Erreichung selbst gesteckter Ziele oder, wie Rusha sagen würde, zur Verwirklichung seiner Träume. Für die Entwicklung des Programms werden bevorzugt Spezialisten im eigenen Land zu Rate gezogen.

Stetige Anregung zur Weitergabe von erworbenem Wissen und erlernten Fertigkeiten und Methoden.

Schockierendes bei den Projektbesuchen

- in der Ziegelfabrik am Kopai-Fluss die um ein paar Cents rennenden Kinder mit schwersten Lasten auf dem Kopf

- die Ausbeutung von Adivasi und die Zerstörung von deren Lebensraum durch Anleitung zur Massentierhaltung von Fischen und Hühnern sowie der Einsatz von gesundheitsschädlichen Substanzen in den Farmen und auf den Feldern

- das Fehlen von Schutzkleidung bei der Ausbringung von Spritzmitteln auf den Feldern

Besonders beeindruckende Begebenheit Als eine Frau aus einer Adivasi-Selbsthilfegruppe bei der Zusammenkunft auf dem Dorfplatz sich glücklich schätzte zum ersten Mal in ihrem Leben über ein Guthaben/ einen Reisvorrat zu verfügen. Sie wisse nun, Selbsthilfe sei gut, gegenseitige Hilfe sei jedoch noch viel besser. Ihre selbstbewusste, mit einem strahlenden Lächeln vorgetragene Äußerung war mehr als Dankbarkeit.
Reise-Erfahrungen zusammengefasst Begegnungsreise auf Augenhöhe mit vielfältigen Gelegenheiten zu hautnahen Erfahrungen in den Projekten, im Miteinander bei Besichtigungen und bei gemeinsamen Erlebnissen
Durch die Reise ausgelöste Veränderungen in mir Noch deutlicheres Eintreten gegen Vorurteile wie dem angeblichen Kinderreichtum der indischen Familien und dem Vorwurf, der indische Staat tue nichts gegen das Analphabetentum: erstaunliche Erfolge einer Geburtenkontrolle durch finanzielle Anreize nach dem 2. Kind; Right to Education Act, Schulmittelfreiheit - Bücher und Hefte - bis zur 8. Klasse, Prämien für Schulabschluss, Schulwegfreiheit durch Bereitstellung von Fahrrädern ab der 8. Klasse
Aktivitäten für die IH In meinen Aktivitäten für die IH habe ich bis jetzt nichts verändert, doch weiß ich nun die Arbeit der Partner der IH in Indien noch viel mehr zu schätzen und kann Vorurteilen in Deutschland viel besser begegnen.
Veränderungen in Bezug auf frühere Reisen

Schockiert vom Plastikmüll auf jeder freien Fläche in Kolkata

Enormer Zuwachs des Privatverkehrs

Positiv:

  • Ansätze zur schönen Gestaltung der Stadt, z.B. durch bepflanzte Mittelstreifen, Renovierungen, architekonisch anspruchsvoll gestaltete Neubausiedlungen mit Grünflächen
  • Verbesserung der Infrastruktur durch den Bau von Hochbahnen, Schnellstraßen
  • Elektrorikschas in Bolpur
  • Uber-Taxis als zuverlässige Transportmittel
  • im Vergleich zu 2004 sehr viel weniger Menschen, die auf der Straße leben

 

Interview von Wally Guess als Download!


 

Interview von Simon Degenhart (Student)

Eurer Ankunft in Indien folgte ja gleich eine längere Zugfahrt nach Bolpur. Erinnerst Du Dich noch an Deine ersten Eindrücke/Gedanken auf der Fahrt durch Kolkata vom Flughafen zum Bahnhof und auf der Zugfahrt nach Bolpur?

In Kalkutta angekommen sind wir zunächst quer durch die Stadt gefahren, vom Flughafen zum KTfHD-Office und von dort zum Bahnhof. Schon beim Verlassen des Flughafens fiel mir sofort das ständige Gehupe und der Wahnsinns-Verkehr auf. Auf Indiens Straßen herrscht Anarchie, ich sage gerne, so sieht es aus wenn 1,3 Milliarden Menschen Erster sein wollen. Auf der folgenden Fahrt durch die Stadt habe ich wirklich schwer damit gekämpft, all die Eindrücke aufzunehmen. Es war meine erste Reise in ein asiatisches Land und in ein Land des „globales Südens“. Während der Fahrt habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Armut und Lebensumstände gesehen, die man höchstens von Bildern oder aus den Nachrichten kennt. Das so unvermittelt zu sehen und, nach nur wenigen Stunden im Flugzeug, dort mittendrin zu stehen, hat mich durchaus schockiert. Man könnte sagen, die ersten Momente standen unter dem Eindruck des Kulturschocks und etwas mulmig wurde mir da schon.

Einen großen Teil der Reise habt Ihr in Herrschings Partnergemeinde Chatra verbracht. Wie hast Du den Aufenthalt in Chatra erlebt, positiv wie negativ?

Was mich sehr begeistert hat war die tiefe Herzlichkeit und Gastfreundschaft, mit der wir dort aufgenommen worden sind. Von allen Seiten, ob von der Gastfamilie, an dieser Stelle sei Familie Ghosh noch einmal von ganzem Herzen gedankt, von den dortigen Mitarbeitern der Indienhilfe und der Gemeindeverwaltung, den Facilitators oder den Mitgliedern der YAG. Egal wo ich zu Besuch war, ist mir Freundschaft, Respekt und zugleich Neugierde entgegengebracht worden. In Charta habe ich sehr große Armut gesehen, speziell unter den Adivasi. Als ich zum Kochen und Essen bei einer Adivasi-Familie war, erzählte uns die Tochter voller Scham, dass sie die Schule abgebrochen hat, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Es hat mich sehr beeindruckt, wie die Menschen mit ihrer Situation leben, mit ihr kämpfen, und dennoch so herzlich sind.

Ihr habt auch einige Projekte der Indienhilfe besucht. Was hat Dich bei den Projektbesuchen am meisten beeindruckt?

Es war beachtlich, welche Entschlossenheit sowohl die dortigen Projektbetreuer als auch die Hilfsempfänger ausstrahlen. Nach wie vor in Erinnerung ist mir der Besuch einer Frauen-Selbsthilfegruppe in Tapaipur. Die Gemeinschaft und Durchsetzungskraft dieser Frauen hat und wird es ihnen ermöglichen, ihr Leben Tag für Tag zu verbessern. Inzwischen haben sie einen Speicher für Reis gebaut, der ihre Existenz in schlechten Zeiten sichert. Auch die Zielstrebigkeit, mit der insbesondere Mukul Haldar und Andere gegen Kinderarbeit und Zwangshochzeiten vorgehen, ist sehr beeindruckend.

Was hat Dich bei den Projektbesuchen am meisten schockiert?

Sehr erschrocken war ich über die große der Schulklassen. Wir haben auf der Reise einige Schulen besucht und auch den aktiven Unterricht sehen können. Manche Schulen haben eine Klassengröße von mehr als 100 Schülern.  Gleichzeitig gibt es sehr viele Absenzen, und nicht immer wegen Krankheit. Ich war erstaunt, wie ruhig und diszipliniert es dort trotz allem im Unterricht zuging. Viele Probleme des heutigen Indiens haben direkt oder indirekt mit Bildung zu tun, sei es Kinderarbeit, das oft fehlende Umweltbewusstsein oder prekäre Lebensverhältnisse. Hier muss, insbesondere von der dortigen Regierung, viel mehr getan werden, letztlich liegt die Zukunft des Landes in den Händen dieser Generation.

Welche Begebenheit auf Eurer Reise hat Dich besonders beeindruckt?

Sehr beeindruckend war die Baul-Musik, die wir in Shantiniketan vorgeführt bekamen. Da ich selbst ein sehr musikalischer Mensch bin, ich spiele seit meinem fünften Lebensjahr Klavier, war das für mich aus klanglicher Hinsicht bereits sehr Interessant. Jedoch ist Baul tief in der Spiritualität verwurzelt. Das zusehen war eine einmalige Erfahrung.

Was war für Dich das schlimmste Erlebnis der Reise?

Ich kann glücklicherweise sagen, dass es für mich kein schlimmstes, nicht einmal ein schlimmes Erlebnis gab. Vielleicht etwas Schockierendes oder auch Abschreckendes, aber nichts schlimmes, und das, obwohl ich vier Monate geblieben bin. Ich kann jedoch sagen, was mich außerhalb der Projektbesuche am meisten schockiert hat. Es war die erste direkte Begegnung mit Kinderarbeit. Direkt am zweiten Tag der Reise sind wir mit einer Gruppe von Studenten am Kopai River in der Nähe von Shantiniketan gewandert. In dieser Gegend gibt es viele Ziegeleien, und ohne jede Vorbereitung sah ich junge Mädchen, das Alter kann ich schwer schätzen, die mit ungebrannten Ziegeln auf dem Kopf in den Brennofen rannten, um ihn zu füllen. Diese Kinder zu sehen, die bei dieser so körperlich harten Arbeit in mir den Eindruck erweckten, sie rennten um ihr Leben, das wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben.

Wenn Du Deine Reise-Erfahrungen in einem Satz zusammenfassen solltest, wie würde dieser lauten?

Indem man sich selbst in die Welt wirft, in ihr glücklich ist, in ihr leidet, sie unmittelbarer erfährt, definiert man sich allmählich.

Wahrscheinlich hattest Du vor Deiner Reise auch einige vorgefasste Indien-Bilder/Stereotype/Vorurteile über „die Inder“. Auf der Reise hattet Ihr Gelegenheit zu einem sehr engen Austausch und Kennenlernen mit den indischen Partnern. Wie hat sich Dein Bild von „den Indern“ durch die Reise gewandelt?

Ich habe, und das gilt jetzt sehr allgemein, gelernt, eben diese Vorurteile, nicht nur gegenüber den Indern abzubauen und Menschen vorurteilsfreier gegenüber zu treten. Ich möchte also nicht sagen, dass ich mein Bild gewandelt hat, vielmehr, dass ich kein eindeutiges Bild mehr habe. Wäre ich mit neuen Stereotypen zurückgekommen, hätte ich gleich zuhause bleiben können.

Hat sich für Dich nach der Indienreise etwas geändert, z.B. an Deiner Einstellung, Deinem Lebensstil etc.? Wenn ja, was und in welcher Form?

Ich kann sagen, dass ich Vieles mehr wertschätze als zuvor. Man sollte nichts für Selbstverständlich halten, das fängt schon bei fließendem Wasser an. Auch die Müllproblematik, Indien versinkt beinahe im Müll, hat mir sehr zu denken gegeben und ich achte mittlerweile sehr darauf, weniger wegzuwerfen. Ich bin neugieriger und mir meiner Selbst bewusster. Ich gehe an Orte, an denen ich noch nie war, spreche mit Menschen, die ich nicht kenne, versuche zu beobachten anstatt zu urteilen. Das gibt einem auch im eigenen Land sehr viel.

Ihr ward alle schon vor der Reise für die Indienhilfe aktiv. Hat sich in Deinen Aktivitäten nach der Reise etwas verändert? Wenn ja, was und in welcher Form?

Das ist für mich als Student leider schwierig, mich nebenbei noch weiter zu engagieren, auch wenn ich das oft gerne tun würde. Ich habe euch aber immer im Hinterkopf, vielleicht ergibt sich ja mal was. Ich mache auch immer gerne Leute auf die Indienhilfe aufmerksam, gerade jetzt, wo ich weiß, wie sinnvoll und wichtig die Projektarbeit ist.

Gibt es noch etwas, was Du gerne von Deiner Reise erzählen möchtest?

Ich habe auf meiner Reise, die ja doch bedeutend länger war als die Gruppenreise, so viele prägende und wertvolle Erfahrungen gemacht. Ich habe gelernt mich auf Menschen einzulassen, auch wenn es oft schwer fällt, ihnen unvoreingenommen gegenüber zu treten. Ich habe Orte gesehen und Begegnungen gemacht, manchmal wollte ich gar nie wieder weg. Aber was den Reiz am Reisen ausmacht ist eben, dass man immer wieder Abschied nehmen darf. Die Erinnerungen und die Freundschaften, die man unterwegs schließt, bleiben einem erhalten. Ich glaube nicht, dass man zum Reisen der richtige Typ sein muss, vielmehr verändert man sich durch die Einsichten, die man bekommt. Erkenntnis ist stets ein Schritt in Richtung der eigenen inneren Freiheit. Reisen ist Selbstfindung. Man sollte nur keine Angst haben, man könnte ankommen.

Interview von Simon Degenhart als Download!


 

Interview von Christoph Habich (Gymnasial-Lehrer)

Eurer Ankunft in Indien folgte ja gleich eine längere Zugfahrt nach Bolpur. Erinnerst Du Dich noch an Deine ersten Eindrücke/Gedanken auf der Fahrt durch Kolkata vom Flughafen zum Bahnhof und auf der Zugfahrt nach Bolpur?

Die Fahrt durch Kolkata war gleich einmal abenteuerlich: nach einer fast durchgemachten Nacht im Flugzeug im Morgendunst der Megastadt ankommen, mit all den neuen Eindrücken bombardiert zu werden und dann noch in einem waghalsigen, dauerhupenden Wagen durch den Verkehr zu jagen, war schon ein Trip der besonderen Art. Nach den ersten Erfahrungen mit Nahrungsaufnahme und Hygiene, endlich und sehr knapp im Zug angekommen, war das Entscheidende: zum ersten Mal zur Ruhe kommen, ankommen und schlafen. Das On-Board-Entertainment durch Zauberer, Sänger, Tänzer und Verkäufer machte die Fahrt in der 1.Klasse gleich zu einem unterhaltsamen Erlebnis.

Einen großen Teil der Reise habt Ihr in Herrschings Partnergemeinde Chatra verbracht. Wie hast Du den Aufenthalt in Chatra erlebt, positiv wie negativ?

Für mich eigentlich das Kernstück der Reise, weil hier die langjährigen Beziehungen weitergesponnen wurden, wir viel intensive Zeit mit unterschiedlichen Leuten verbrachten und in Familien wohnten. Ein besonderes Erlebnis war natürlich, meinen Geburtstag in Indien zu verbringen, was von den Gastgebern und der Reisgruppe ausführlich zelebriert wurde. Rührend waren die hunderte Menschen, die mir Abends am Lagerfeuer ein Ständchen sangen und die unzähligen Hände, die ich schütteln musste und durfte. Die Herzlichkeit war einfach umwerfend.

Ihr habt auch einige Projekte der Indienhilfe besucht. Was hat Dich bei den Projektbesuchen am meisten beeindruckt?

Die Bedeutung, die diese Projekte für die Bevölkerung haben und die Hingabe, mit der die Beteiligten an deren Erfolg arbeiten. Man hat gemerkt, dass das Engagement wirklich etwas bewegt. Auch wie einfachste Mittel verwendet werden, um etwas zu erreichen war faszinierend. Und der Enthusiasmus, der uns begleitete und auch die Neugierde gaben uns ein Gefühl, wie es sonst nur Prominente haben. Es hat ein wenig gedauert, um zu verstehen, dass die Inder dort genauso interessiert und fasziniert von uns sind, wie wir von Ihnen.

Was hat Dich bei den Projektbesuchen am meisten schockiert?

Sicherlich die Armut in den Dörfern und Slums, die Begegnung mit tatsächlicher Kinderarbeit und das öffentliche Auf-der-Straße-Leben in Kolkata. Und die Erkenntnis, dass es so viele Menschen gibt, die sich um sich selbst kümmern müssen. Da ist die Arbeit der Indienhilfe ein nur so ein kleines Projekt, das nur wenigen zugute kommt im Vergleich mit den Massen an Menschen und ist doch so wichtig.

Welche Begebenheit auf Eurer Reise hat Dich besonders beeindruckt?

Dass bei so vielen Menschen und dem scheinbaren Chaos im Verkehr doch so wenig passiert und die Dinge – wenn auch nicht nach unserem westlichen Verständnis – funktionieren. Irgendwie kommt man doch weiter und dahin wo man muss. Manchmal ist es einfach viel Geduld, die man braucht, damit etwas überhaupt passiert, dann wird es mal wieder hektisch und das Chaos ist allgegenwärtig. Und insgesamt hatte ich doch das Gefühl, dass die Menschen auch aufeinander achten und höflich und zuvorkommend waren, was aber wohl auch an der speziellen Situation in unserer Gruppe lag.

Was war für Dich das schlimmste Erlebnis der Reise?

Persönlich hab ich mich nur einmal unwohl gefühlt, als auf dem Markt eine Mitreisende von einem Händler bedrängt wurde mehr Geld auszugeben. Der Händler wollte das Wechselgeld nicht herausgeben und stattdessen weitere Ware verkaufen. Eine freundliches aber klares Nein wurde nicht akzeptiert wurde. Als ich versuchte dies deutlich zu machen, wurde mir mit Rausschmiss gedroht. Erst als ich behauptete ihr Sohn zu sein, entschuldigte man sich und gab das Wechselgeld zurück. Am meisten aber ging mir die Begegnung mit einem kleinen Jungen nahe, der bei einem Besuch bei einem der Projekte stolz einen selbst gefangenen Fisch präsentierte. Er war sehr schüchtern, suchte aber unsere Aufmerksamkeit. Ich erfuhr, dass er erst vor wenigen Tagen seine Eltern verloren hatte und nun Waise war. Später kam er noch einmal zu mir, stellte sich neben mich und hielt meine Hand lange Zeit fest gedrückt. Ohne, dass ich weiter mit ihm kommunizieren konnte, verabschiedeten wir uns bald und ich konnte ihm nur eine Süßigkeit und meine guten Wünsche hinterlassen. Wie ihm wohl diese Begegnung in Erinnerung geblieben ist?

Wenn Du Deine Reise-Erfahrungen in einem Satz zusammenfassen solltest, wie würde dieser lauten?

Incredible India

Wahrscheinlich hattest Du vor Deiner Reise auch einige vorgefasste Indien-Bilder/Stereotype/Vorurteile über „die Inder“. Auf der Reise hattet Ihr Gelegenheit zu einem sehr engen Austausch und Kennenlernen mit den indischen Partnern. Wie hat sich Dein Bild von „den Indern“ durch die Reise gewandelt?

Der Unterschied zwischen den westlich-geprägten urbanen und der traditionell lebenden Dorfbevölkerung war faszinierend. Die Häuser in Chatra waren so spärlich ausgestattet und für unsere Verhältnisse so leer, dass es immer wieder erstaunte. Im Gegensatz dazu war die Stadtwohnung in Kolkata kaum von einer westlichen Wohnung zu unterscheiden.

Hat sich für Dich nach der Indienreise etwas geändert, z.B. an Deiner Einstellung, Deinem Lebensstil etc.? Wenn ja, was und in welcher Form?

Manchmal fällt mir der Kontrast unserer Lebensweisen im Alltag wieder auf: beim Essen mit Besteck, dem Trinken aus Gläser, der Hygiene, dem Einkaufen aber auch beim Umgang mit Leuten im Alltag. Themen wie Klimawandel, Ressourcennutzung oder Umweltverschmutzung bekommen eine andere Perspektive, sind aber dennoch universell bedeutungsvoll. Diese Änderung des Blickwinkels und das Verstehen einer anderen Einstellung ist unheimlich wertvoll, egal wohin man in der Welt fährt.

Ihr ward alle schon vor der Reise für die Indienhilfe aktiv. Hat sich in Deinen Aktivitäten nach der Reise etwas verändert? Wenn ja, was und in welcher Form?

Es hat sich eine engere Zusammenarbeit des Christoph-Probst-Gymnasium mit der Indienhilfe entwickelt, z.B. die Verlegung der zweiten Fachsitzung Geographie nach Herrsching. Außerdem überlegen wir am CPG ein Seminar zu Indien für die Oberstufe in den nächsten Jahren anzubieten.

Für diejenigen von Euch, bereits früher an einer Gruppenreisen der IH teilgenommen haben:

Seit Deiner ersten Gruppenreise mit der IH ist einige Zeit vergangen. Welche Veränderungen hast Du wahrgenommen und welche haben Dich besonders überrascht/beeindruckt/schockiert?

Es war meine erste Reise nach Indien.

Gibt es noch etwas, was Du gerne von Deiner Reise erzählen möchtest?

Grundsätzlich sehr Vieles. Aber das würde den Rahmen sprengen und sollte daher lieber mündlich geschehen.

Interview von Christoph Habich als Download!


 

Interview von Karin Degenhart (Gymnasial-Lehrerin)

Eurer Ankunft in Indien folgte ja gleich eine längere Zugfahrt nach Bolpur. Erinnerst Du Dich noch an Deine ersten Eindrücke/Gedanken auf der Fahrt durch Kolkata vom Flughafen zum Bahnhof und auf der Zugfahrt nach Bolpur?

Ich erinnere mich sehr gut. Die erste Autofahrt zum Bahnhof war für mich ein sprichwörtliches Erweckungserlebnis. Nach der langen, ermüdenden Reise war ich sofort wieder hellwach. Ich wusste ja, dass es in Indien Linksverkehr gibt. Der Fahrer fuhr aber nicht auf der linken Fahrbahnseite, so wie ich das als brave deutsche Autofahrerin erwartet hätte. Er fuhr, wo immer gerade Platz war, egal ob links, rechts, in der Mitte, auf dem Bankett , egal ob Gegenverkehr oder nicht. Dabei hupte er ständig. Bereits auf dieser ersten Autofahrt kam ich mir vor wie in einem „Wimmelbuch“, einem dieser Kinderbücher mit besonders vielen gemalten Eindrücken auf jeder Seite. Dieser wunderbare Eindruck des Übervollen hat mich die ganze Reise lang nicht wieder verlassen. Die Zugfahrt war dagegen recht entspannt und ich habe sie vor allem schlafend verbracht.

Einen großen Teil der Reise habt Ihr in Herrschings Partnergemeinde Chatra verbracht. Wie hast Du den Aufenthalt in Chatra erlebt, positiv wie negativ?

Der Aufenthalt in unserer Partnergemeinde war von großer Herzlichkeit geprägt. Unsere Gastgeber in den Familien, an den Schule, im Rathaus, im Adivasipara und wo immer wir sonst noch hinkamen lasen uns jeden Wunsch von den Augen ab. Wir wurden überall mit offenen Armen empfangen. Es wurde uns so viel Zeit geschenkt, die wir gar nicht sahen, es hatte so viele Vorbereitungen auf unseren Besuch gegeben, von denen wir nichts wussten, deren Ergebnis wir aber alle spürten und mitnehmen durften, in Form von Karten, Blumen, Gastgeschenken, Aufführungen und wundervollem Essen. Schade war dabei, dass wir die Zeit, die uns da geschenkt wurde, nicht immer zurückgeben konnten. Wir hatten so zahlreiche Termine, dass bei mir immer der Eindruck des Unvollständigen, des „ich würde jetzt so gerne noch mehr Zeit hier verbringen“ zurückblieb.

Ihr habt auch einige Projekte der Indienhilfe besucht. Was hat Dich bei den Projektbesuchen am meisten beeindruckt?

Ganz besonders eindrucksvoll fand ich die Selbstverständlichkeit, mit der die Menschen in den Projekten arbeiten. Ich hatte nie den Eindruck, da ist jemand, der macht einen Job, weil er von etwas leben muss. Ich habe sehr viel wirkliches Engagement erlebt. Und die Hilfe kommt direkt an, das haben wir in vielen Gesprächen mit den Betroffenen gehört. Auch hatte ich den Eindruck, die Helfer binden diejenigen, denen sie durch ihr Projekt helfen, immer in besonderer Weise mit ein, geben also wirkliche Hilfe zur Selbsthilfe.

Was hat Dich bei den Projektbesuchen am meisten schockiert?

Schockiert war ich vor allem von den Formen der Armut, die man bei uns in Deutschland so nicht findet, und davon, dass diese Armut von vielen Menschen mit stoischer Ruhe hingenommen wird.

Welche Begebenheit auf Eurer Reise hat Dich besonders beeindruckt?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten, weil die Reise so ungeheuer voll mit extremen Eindrücken war. Persönlich hat mich der Abend bei den Baul - Musikern sehr beeindruckt. Dieser Abend hat mich nicht nur in ein anderes Land, sondern in eine komplett andere Welt geführt. Die Musik des Baul ist mir besonders nahe gegangen, das lag wohl nicht nur an der Musik, sondern auch an den Musikerpersönlichkeiten, die, so mein Eindruck, ihr ganzes Leben in ihre Musik und ihre Gesänge und Tänze einfließen lassen.

Was war für Dich das schlimmste Erlebnis der Reise?

Auf einer Wanderung entdeckten wir tatsächlich Kinderarbeiter in einer Ziegelbrennerei und beobachteten sie bei ihrer Arbeit. Die jüngsten der Kinder waren vielleicht acht oder neun Jahre alt. Die Mädchen trugen bis zu zehn Ziegel auf ihren Köpfen, die Jungs hatten wenigstens Schubkarren. Eigentlich sollten diese Kinder in einer Schule sitzen, stattdessen müssen sie als Arbeitssklaven schuften, oft um die Schulden ihrer Eltern bei den Fabrikbesitzern abzuarbeiten. Davon nicht nur zu lesen, sondern das dann wirklich zu sehen, das hat schon noch mal eine andere Qualität und geht einem so schnell nicht mehr aus dem Sinn.

Wenn Du Deine Reise-Erfahrungen in einem Satz zusammenfassen solltest, wie würde dieser lauten?

So viele unterschiedliche Eindrücke wie auf dieser habe ich bisher auf keiner anderen Reise gewonnen.

Wahrscheinlich hattest Du vor Deiner Reise auch einige vorgefasste Indien-Bilder/Stereotype/Vorurteile über „die Inder“. Auf der Reise hattet Ihr Gelegenheit zu einem sehr engen Austausch und Kennenlernen mit den indischen Partnern. Wie hat sich Dein Bild von „den Indern“ durch die Reise gewandelt?

Ich durfte ja vor der Reise in Deutschland schon indische Gäste kennenlerne, die ich auch in Indien wieder getroffen habe. Sie haben bereits vor der Reise das Bild eines traditionsbewussten, stolzen Volkes bei mir hinterlassen. Noch eine Nebenbemerkung zur Sprache: Früher hatte ich den Eindruck, Inder sprechen ein Englisch, das keiner versteht, außer er ist Inder. Heute weiß ich, Inder sprechen kein Englisch, sie singen es, und wenn du mit ihnen mitsingst, verstehst du sie auch problemlos. Ich habe den Eindruck gewonnen, viele Inder sind sehr musikalisch, sie lieben es zu singen.

Hat sich für Dich nach der Indienreise etwas geändert, z.B. an Deiner Einstellung, Deinem Lebensstil etc.? Wenn ja, was und in welcher Form?

Ich weiß nach solch dieser Reise noch mehr zu schätzen, wie gut es uns in Deutschland geht und dass viele meiner Probleme eigentlich Luxusprobleme sind. Verändert hat sich auch mein Umgang mit Zeit. Ich nehme mir für Dinge, die mir wichtig sind, mehr Zeit und versuche, das Wort „ich muss noch“ bewusst zu vermeiden, wenn es auch nicht immer gelingt.

Ihr ward alle schon vor der Reise für die Indienhilfe aktiv. Hat sich in Deinen Aktivitäten nach der Reise etwas verändert? Wenn ja, was und in welcher Form?

Ich versuche, meine Eindrücke von der Reise meinen Schülerinnen und Schülern zu vermitteln und sie dabei auch immer über die Arbeit der Indienhilfe zu informieren.

Gibt es noch etwas, was Du gerne von Deiner Reise erzählen möchtest?

Es gäbe noch sehr viel, ich weiß aber jetzt nicht, wo ich anfangen soll, deshalb ende ich mit dem Rat, unbedingt mal nach Indien zu fahren.

Das Interview von Karin Degenhart als Download!