Aktueller Spendenaufruf
Für das indische Finanzjahr vom 1.4.2023 bis 31.3.2024 benötigen wir für unsere 7 Projekte in Westbengalen eine Gesamtsumme von 303.000 Euro und sind dafür dringend auf Ihre Unterstützung angewiesen! Projekte im Überblick
Spendenkonten der Indienhilfe:
Für Armutsbekämpfung in Indien, auch Katastrophenhilfe: Indienhilfe - Projekte | IBAN DE29 7025 0150 0430 3776 63 |
Für Bildungsarbeit in Deutschland: Indienhilfe - Bildung | IBAN DE87 7025 0150 0430 3704 11 |
Für Dialog und Partnerschaft: Indienhilfe - Partnerschaft | IBAN DE24 7025 0150 0430 3688 29 |
Für alle ideellen Arbeitsbereiche: Indienhilfe - Verein | IBAN DE53 7025 0150 0430 3826 63 |
bei der Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg
Swift-BIC BYLADEM1KMS
Bitte achten Sie bei der Überweisung auf die vollständige und deutliche Angabe Ihrer Adresse.
Sie erhalten, sofern nicht anders gewünscht, automatisch im Februar/März des Folgejahres eine Sammelbestätigung über Ihre Spenden für das Finanzamt.
Auf Wunsch können Einzel-Zuwendungsbestätigungen natürlich gerne auch sofort ausgestellt werden. Da dies aber einen erheblichen Verwaltungs-Mehraufwand bedeutet, bitten wir darum, wenn nicht zwingend erforderlich, die Jahres-Sammelbestätigung abzuwarten. Bei dieser werden nach Abschluss der Jahresbuchhaltung alle Spenden, die während des Jahres geflossen sind, teils auch auf verschiedene Spendenkonten der Indienhilfe (Projekte, Verein, Bildung, Partnerschaft) zusammengeführt.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
"Danke"-Brief der Vorstandsvorsitzenden Elisabeth Kreuz an alle Spender (Mai 2023) als pdf-Datei
"Danke"-Brief der Vorstandsvorsitzenden Elisabeth Kreuz an alle Spender (Februar 2022) als pdf-Datei
Für 2023-24 (das indische Finanzjahr läuft vom 1.4. bis 31.3.) hat die Indienhilfe 7 Projekte bei 7 Partnerorganisationen bewilligt:
Wenn Sie auf den Projekt-Namen klicken, erhalten Sie weitere Infos zum jeweiligen Projekt. Bitte lesen Sie auch uns übergreifendes Konzept zum Thema Kindeswohl.
Partner | Projekt | Gebiet | Betrag | Spenden-Stichwort |
---|---|---|---|---|
Adelphi gGmbH Berlin | Trinkwasserprojekt in Chatra | North 24 Parganas | 23.000 € | Trinkwasser Chatra |
DMSC | Betrieb von zwei Sozialzentren für Nachnis und Jhumurs | Purulia | 53.000 € | Purulia |
Hijli Inspiration | "Grüne Kommune Chatra - Schwerpunkt Wasser" | Chatra Gram Panchayat, N-24-Parganas | 25.000 € | Trinkwasser Chatra |
KJKS | Kindzentrierte Entwicklung | Jhargram (früher: West Midnapur) |
58.000 € | Adivasi |
Lake Gardens | Kinderkrippen für Kinder arbeitender Mütter | Slums in Kalkutta | 38.000 € | Kinderkrippen |
Sanchar | Gemeindenahe Rehabilitation behinderter Kinder | Howrah | 59.000 € | Behindertenarbeit |
Seva Kendra Calcutta (SKC) | Schaffung von Kommunen ohne Kinderarbeit | North 24 Parganas | 47.000 € | Kinderarbeit |
GESAMTSUMME 303.000 €
Alle Beträge beinhalten eine Pauschale von 15 % für:
- Projektplanung
- Monitoring/Impact Assessment/Wirtschaftsprüfer
- Weiterentwicklung
- Partnertraining und Fortbildungen (Capacity Building)
- Vernetzung der Partner-NGOs
Aktuelle Berichte und Kurzbeschreibungen der Projekte:
Endlich! Der erste „offizielle“ Schluck sauberes Trinkwasser aus unserer Trinkwasser-Aufbereitungsanlage
in einer Fischer- und Landarbeitersiedlung in Chatra!
(Astrid Kösterke, Sommerinfo 2023)
Freudige Anspannung liegt in der Luft, als Corinna Wallrapp und ich mit zwei indischen Kolleginnen am 6. Februar 2023 den Ortsteil Rasui in Herrschings Partnergemeinde Chatra nahe Kolkata, erreichen. Hektisch laufen die Dorfbewohner umher, hier noch eine Blumengirlande aufhängen, dort noch eine Lautsprecherprobe – heute ist der lang ersehnte Tag: Nach sieben Jahren gemeinsamer Anstrengungen wird die Trinkwasseraufbereitungsanlage eingeweiht, die diesen von Armut geprägten Ortsteil mit Trinkwasser versorgen soll! Es ist ein ganz besonderer Moment, als das Wasser offiziell als Trinkwasser freigegeben wird und an der Zapfsäule, direkt vor dem imposanten weißstrahlenden Bauwerk, inmitten von viel Grün, die ersten Gläser frisch gezapften Wassers verteilt werden. Den ersten Schluck nimmt Ehrengast Generalkonsul Manfred Auster, als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, die über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen kommunaler Entwicklungszusammenarbeit die Bauarbeiten zum großen Teil finanziert hat. Alles andere finanziert die Indienhilfe mit ihren SpenderInnen und engagierten Schulen in Herrsching und Umgebung. Herrschings Bürgermeister Christian Schiller ist per Video-Grußbotschaft präsent. Mit Stolz blickt er auf die bewältigten Herausforderungen bei dieser neuartigen internationalen Kooperation zwischen den Gemeinden Herrsching und Chatra zurück.
Seit Juli 2022 steht die Anlage, nach einer Planungs- und Bauzeit von 6 Jahren, und nahm zunächst den Testbetrieb auf. Das Wasser wird dem nahegelegenen Fluss Padma entnommen, in einem Teich vorgeklärt und dann über ein mehrstufiges Filtrationssystem durch ein natürlich-biologisches Verfahren von Schadstoffen gereinigt. Dieses wurde eigens für Chatras solarbetriebene Anlage von unserem Projektpartner adelphi research gGmbH entwickelt und wird von indischen und deutschen Universitäten wissenschaftlich begleitet1. Die Qualitätsparameter des Wassers wurden seither regelmäßig getestet, die verschiedenen Filtersysteme aufeinander abgestimmt und optimiert.
Für Rasuis 160 Fischer-, Tagelöhner- und Kleinstbauern-Familien, mehr als 600 Personen, bedeutet die saubere, arsenfreie Wasserquelle eine große Verbesserung ihrer Lebenssituation: Bisher entnahmen die Familien ihr Trinkwasser aus häuslichen Pump-Brunnen, die häufig mit Arsen, anderen Schadstoffen und Keimen verunreinigt sind. Neben langfristigen arsenbedingten Leiden sind Magen-Darm-Erkrankungen an der Tagesordnung. Dadurch bedingte Arbeits- und Verdienstausfälle verschärfen die prekäre finanzielle Situation der Familien. Die erkrankten Kinder fehlen häufig in der Schule, Schulabbruch und Kinderarbeit drohen. Mit der neuen Wasserquelle soll all das der Vergangenheit angehören!
Damit die Anlage langfristig funktionsfähig bleibt und genutzt wird, ist die Einbindung der lokalen Bevölkerung Voraussetzung: Brindaban Mallick und Bilkis Bibi aus Rasui kümmern sich um Wartung und Betrieb der Anlage. Für das – auch finanzielle – Management ist die lokale „Water User Group“, verantwortlich.
Der Vorteich liegt inmitten von Feldern, ebenso wie der Padma selbst. Es ist eine Riesenherausforderung, die umliegende Bevölkerung Chatras für die Notwendigkeit eines effektiven Schutzes für das Wassereinzugsgebiet zu sensibilisieren. Seit 2018 arbeitet die Indienhilfe deshalb im Rahmen des Projekts „Green Panchayat for Sustainable Development“ mit der NGO Hijli INSPIRATION zusammen. Umweltverträglichere Produktionsweisen, damit weniger Pestizide, synthetische Dünger und Abwässer in Boden und Gewässer gelangen, sind für die Zukunft unverzichtbar. Eine weitere zentrale Aufgabe sind Aufklärungskampagnen zu den Themen „Water, Sanitation and Hygiene“2. An den Schulen betreut Inspiration Öko-Clubs. Spielerische, kreative, lebensfrohe Elemente fördern dabei nachhaltig das Bewusstsein für die Gefährdung natürlicher Ressourcen, wie das bei der Einweihungsfeier von Kindern aufgeführte und selbst verfasste Singspiel zur Bedeutung von Bäumen für das Ökosystem anrührend zeigte.
Mit der Einweihung der Anlage endet unser Engagement in Chatra also noch lange nicht: Gemeinsam mit den beiden Kommunen und mit Inspiration und adelphi werden wir in den kommenden Jahren weiter daran arbeiten, das Bewusstsein für die Zusammenhänge von Wasserqualität, Sanitärversorgung, persönlicher Hygiene, Umweltschutz, Öko-Landbau, Bildung, Lebensqualität bei Chatras EinwohnerInnen zu stärken.
Kosten 2023/24: 25.000 € Hijli INSPIRATION
23.000 € adelphi research gGmbH
Stichwort: Trinkwasser Chatra
---------------------------------
FN 1: mehr zu Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene im Positionspapier 2019 von VENRO und dem deutschen WASH-Netzwerk: https://www.washnet.de/wp‑content/uploads/PositionspapierWASH_WEB_72dpi-1.pdf
FN 2: Unter https://www.indienhilfe-herrsching.de/node/325 Bericht mit Details zum Design der Anlage. Es sind adelphis WasseringenieurInnen unter Führung von Ronjon Heim, die das naturnahe Verfahren zur Wasseraufbereitung entwickelt und in Chatra implementiert haben, das nicht nur für Indien, sondern auch für Deutschland bedeutsam sein könnte. Mehr dazu unter https://adelphi.de/de/news/adelphi-implementiert-neues-verfahren-der-naturnahen-trinkwasseraufbereitung-in-indien
“Wie kann eine Familie auf acht Quadratmetern wohnen?”
Eindrücke vom Projektbesuch
bei Lake Gardens Women and Children Development Centre in Kolkata
(Corinna Wallrapp, Sommerinfo 2023)

„Tuuut Tuuut!“ Laut und schrill tönt es durch den Slum in Tollyganj, wir schrecken zusammen. Ein Zug rattert wenige Meter entfernt an uns vorbei. Nicht sehr schnell, doch schnell genug, dass ein unachtsames Kind darunter geraten kann. Zwei Männer laufen auf den Gleisen, sie machen kurz Platz, warten bis der Zug vorbei ist, und gehen schließlich in Ruhe weiter. Alle 5 bis 10 Minuten kommt ein Zug. Die gesamte Böschung ist eng mit ein- bis zweistöckigen Häusern zugebaut, die direkt an die Bahngleise grenzen – ohne Zaun oder Lärmschutz. Schmale steile Gassen schlängeln sich durch die Häuserzeilen. Eine Frau wartet neben einem Wasserhahn ohne fließend Wasser, um sie herum sind alle möglichen Behälter zum Wasseraufbewahren aufgereiht. Seit einigen Jahren gibt es hier im unauthorized settlement öffentlich zugängliche Wasserhähne, aber Wasser gibt es täglich nur für wenige Stunden, in denen alle Behälter aufgefüllt werden müssen, sonst hat die Familie kein Wasser für diesen Tag.
Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen unseres Partners Lake Gardens Women and Children Development Centre besuchen wir die Umgebung, in der die Kinder leben, die in die von der Indienhilfe finanzierte Kinderkrippe Colibri gehen. Mit beklemmendem Gefühl laufen wir durch die engen steilen Gassen entlang der Schienen, um einen Eindruck ihrer Lebensbedingungen zu bekommen. Vorsichtig spähen wir durch die offene Tür einer „Wohnung“: ein Raum von ca. 8 qm, darin ein erhöhtes großes Bett, unter dem Küchenutensilien und andere Gegenstände gelagert werden, an den Wänden hängt die Kleidung, weitere Möbel gibt es nicht – dies ist das Zuhause einer Familie mit mehreren Kindern. Gekocht wird vor der Tür auf der schmalen Gasse. Wir fragen uns: wo finden alle Familienmitglieder auf dem einen Bett Platz? Wo wird gekocht, wenn es regnet? Und was macht die Familie, die darüber im 2. Stock wohnt? Wo findet sie noch Platz auf der schmalen Gasse? Wo fließen die Regenmassen während des Monsuns hin? Und wo kann man sich zurückziehen, wenn man mal seine Ruhe braucht? Wo haben die Kinder Platz zum Spielen? Und wo machen sie ihre Hausaufgaben? Die Enge wirkt auf uns bedrückend, aber es ist eine beliebte Wohngegend für ärmere Familien, die auf der Suche nach Arbeit vom Land nach Kolkata kommen. Viele Frauen arbeiten als Hausangestellte in den umliegenden Wohngegenden der Mittelschicht, Männer verdienen oft als Tagelöhner oder Riksha-Fahrer ihr Geld. Leider führen häufig Alkohol, Drogen, Glücksspiel und Arbeitslosigkeit meist der Männer zu häuslicher Gewalt, unter der die Kinder und Frauen besonders leiden.
Wir gehen weiter zur Krippe Colibri, die mitten im Slum liegt. In einem kleinen hellen Raum, an den Wänden bunte Plakate und Lernpläne, sitzen 16 Kleinkinder im Kreis und essen. Die Betreuerinnen verteilen die Mahlzeit und unterstützen, wo nötig. Im Moment werden täglich 65 Kinder im Alter von 1 bis 5 Jahren in den drei Krippen von Lake Gardens betreut, gefördert und mit warmem nahrhaftem Mittagessen versorgt. Der Bedarf an Kinderbetreuung ist hier sehr hoch, damit die Mütter ihrer Arbeit nachgehen können, ohne sich um die Sicherheit ihrer Kinder sorgen zu müssen, die unbeaufsichtigt schnell an den Bahngleisen verunglücken können. Auch die Vorschularbeit ist wichtiger Bestandteil des Krippenalltags, um die Kinder, deren Eltern oft Analphabeten sind, auf die Einschulung vorzubereiten und ihnen den Übergang in die Schule zu erleichtern.

Neben der direkten Arbeit mit den Kindern hat Lake Gardens auch die Situation der gesamten Familie im Blick: in Gruppensitzungen und einzelnen Gesprächen mit den Müttern, aber auch Vätern und Ehemännern, werden drängende Themen wie häusliche Gewalt, Gesundheit, Familienplanung, Ernährung, Kinderrechte und Missbrauch angesprochen und dafür sensibilisiert. Auch wenn die Probleme in den Familien oft ähnlich liegen, braucht es doch sehr viel individuelle Unterstützung und Begleitung, um die Denkweise und die kritischen Lebenssituationen im Einzelfall zu verbessern. Seit diesem Jahr arbeitet Lake Gardens verstärkt an der Vernetzung der Frauen mit Arbeitsagenturen, potenziellen Arbeitgebern und Trainingszentren, um ihnen Zugang zu besseren Einkommensmöglichkeiten zu verschaffen. Denn neben der Stärkung des Selbstbewusstseins ist insbesondere die finanzielle Unabhängigkeit der Frauen wichtig. Auch die Väter der Krippenkinder sollen in diesem Jahr verstärkt angesprochen und bei den Elternabenden einbezogen werden, damit auch sie sich ihrer Verantwortung für die Kinder stellen und zum Wohl der Familie beitragen.
Inmitten der bedrückenden Enge des Slums mit Lärm, Dreck und Gewalt ist die Colibri-Krippe von Lake Gardens wie eine Oase, ein Rückzugsort, in dem die Kinder geschützt und sicher spielen und lernen, sich frei entwickeln können, in dem ihre Bedürfnisse und ihr Wohlergehen im Vordergrund stehen. So wird hoffentlich der Grundstein für ihre Zukunft, für ein Leben ohne Armut, gelegt! Wir danken allen SpenderInnen, die unser Krippenprojekt mit Lake Gardens schon seit vielen Jahren unterstützen.
Kosten 2023/24: ca. 38.000 € – ca. 580 €/Kind
Stichwort: Kinderkrippen
**********
„Es braucht Jahre, um einen Erfolg zu sehen!“
Individuelle Lösungsansätze und ein langer Atem schaffen Perspektiven für ehemalige KinderarbeiterInnen und SchulabbrecherInnen im North 24 Parganas District
(Corinna Wallrapp, Sommerinfo 2023)
Heute sind wir mit Fatema Khatun, einer Kinderrechtsexpertin, Mitarbeiterin unseres Partners Seva Kendra Calcutta (SKC) unterwegs. In Gobra im Gobindapur Gram Panchayat an der Grenze zu Bangladesch zeigt sie uns „ihr“ Nachhilfezentrum, in dem sie 24 Kinder aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen1 betreut. Begeistert empfangen uns die Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren – ehemalige KinderarbeiterInnen und SchulabbrecherInnen – und zeigen uns, was sie bereits gelernt haben: Rechnen mit Steinchen, Buchstaben, Lieder singen und Reime aufsagen. Jedes Kind bis vierzehn Jahre, das nicht regelmäßig eine Schule besucht, gilt als Kinderarbeiter laut Definition der MV Foundation, nach deren Konzept SKC seit Jahren arbeitet2. Auch ein achtjähriges gehörloses Mädchen besucht regelmäßig das Zentrum. Fatema erklärt uns, dass die Eltern sich den Schulbesuch für ihre Tochter Sonali wünschten, doch die Leitung der staatlichen Grundschule verweigerte ihrer Tochter wegen ihrer Behinderung die Teilnahme am regulären Unterricht. In vielen längeren Gesprächen konnte Fatema die Schulleitung und die Lehrkräfte überzeugen, Sonali aufzunehmen. Sonali ist glücklich und kann trotz ihrer Beeinträchtigung dem Unterricht gut folgen3. In einem anderen Fall identifizierte Fatema einen sehr vernachlässigten und unterernährten Jungen in der Gemeinde, dessen psychisch erkrankte Eltern sich nicht ausreichend um ihn kümmern konnten. Auch hier führte Fatema viele Vertrauen aufbauende Gespräche mit der Familie, und dank der Unterstützung eines Lehrers kann Mostafin nun zur Schule gehen, wo er neben dem Unterricht auch täglich eine warme Mahlzeit bekommt. Es sind bewegende Geschichten und Fatemas Tatendrang und ihr Wille zu Veränderungen beeindrucken uns sehr.
Momentan unterhält SKC zehn Nachhilfezentren, in denen für Schulkinder aus benachteiligten Familien täglich zwei Stunden Hausaufgabenbetreuung und Förderunterricht angeboten werden, sowie 20 Motivation Centres, in denen an zwei bis drei Tagen pro Woche jeweils zwei Stunden Unterricht für ehemalige KinderarbeiterInnen und SchulabbrecherInnen angeboten wird, um diese für einen regulären Schulbesuch fit zu machen. So kann das Team von SKC etwa 1.000 Kinder in den Gram Panchayats Saguna und Gobindapur (mit ca. 16.000 Haushalten und mehr als 18.500 Kindern von 0 bis 18 Jahren) fördern und ihnen Spaß am Lernen vermitteln. Neben dem Unterricht in den Zentren führen die MitarbeiterInnen unzählige Gespräche zu Kinderrechten mit den Familienangehörigen, den Schulen, den Mutter-Kind-Zentren (ICDS), den Gemeindemitgliedern und Behörden. Wo immer Bedarf ist, um Hürden für die Einschulung oder die regelmäßige Teilnahme am Unterricht zu überwinden, um für Kinderrechte, Hygiene und Ernährung oder andere wichtige Themen zu sensibilisieren, sind Fatema und ihre KollegInnen zur Stelle.
Alle Kinder, die in die von der Indienhilfe finanzierten Zentren kommen, bringen ihre eigene Geschichte und einen anderen Hintergrund mit: Mal liegen die Herausforderungen eher in den Familien und deren Lebensumständen, wie geringes Einkommen und Armut, fehlendes Bewusstsein für Bildung und Rechte, hoher Alkoholkonsum und häusliche Gewalt, mal eher bei den Behörden oder Schulen. Für jedes dieser Kinder suchen Fatema und ihre KollegInnen einen eigenen Lösungsansatz. Dies macht ihre Arbeit interessant, aber auch sehr zeitaufwändig und herausfordernd. Ihre Motivation und ihr unermüdliches Engagement sind wichtige Voraussetzungen der großen und kleinen Erfolge. „Es braucht Jahre, um einen Erfolg in einem ganzen Dorf zu sehen.“ sagt Fatema mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Es macht sie glücklich, wenn sie sieht, wie die von ihr betreuten SchülerInnen Spaß am Lernen haben, gerne und regelmäßig in die Schule gehen und in ihrem Dorf selber für Kinderrechte eintreten.
In einzelnen Dörfern im Saguna GP, seit vielen Jahren von uns gefördert, kann SKC sein Engagement mittlerweile langsam zurückfahren. Dort ist das Bewusstsein, wie wichtig gute Bildung, Ernährung, Hygiene und Gesundheit für die Entwicklung der Kinder sind, weit verbreitet in der Bevölkerung und die Gemeindemitglieder sind in Gruppen organisiert, die im Notfall einschreiten, z.B. bei schwerer häuslicher Gewalt oder Kinderehe. Noch begleitet das Team von SKC diese Gruppen, doch werden die Ressourcen jährlich reduziert, um die freiwerdenden Mittel in neuen Dörfern mit höherem Bedarf einzusetzen.
Mit Ihrer Spende tragen Sie zu den Erfolgen von SKC bei und ermöglichen Schulbesuch statt Kinderarbeit!
Kosten 2023/24: etwa 47.000 € – ca. 45 €/Kind
Stichwort: Kinderrechte
FN1 : Das sind in dieser Region vor allem Dalits (Angehörige der registrierten „unberührbaren“ Kasten) und arme muslimische Minderheiten
FN2: Als Kinderarbeit zählen auch Haushaltsarbeiten, Betreuung von Geschwistern, Mithilfe bei der Feldarbeit und andere Tätigkeiten, die vom Schulbesuch abhalten. MV Foundation ist eine führende Organisation in Bezug auf Kinderrechte in Indien. Mehr Infos unter: https://mvfindia.in/
FN3: Im April 2023 startete unser neues Projekt „Moving Ahead“ mit dem Partner SANCHAR, um unsere Projektpartner zum Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren und Inklusion in allen Projekten zu stärken. Im nächsten Info-Brief werden wir von „Moving Ahead“ berichten.
**********
Durchbrechen des Teufelskreises von Armut, unzureichender Ernährung, schlechter Gesundheit und mangelnder Bildung – große Aufgaben für KJKS in Adivasi-Dörfern im Distrikt Jhargram
(Astrid Kösterke, Sommerinfo 2023)
Große gelichtete Waldflächen, viel Buschland und steppenartige Grasflächen, unterbrochen von wenigen Flussläufen und bewässerten Feldern, dazwischen Lehmhütten auf staubigen trockenen Böden – es ist wie eine andere Welt, als wir nach sieben Stunden Fahrt das etwa 200 km westlich von Kolkata gelegene Projektgebiet unserer Partnerorganisation Kajla Janakalyan Samiti (KJKS) im Distrikt Jhargram erreichen. Die Landschaft steht in starkem Gegensatz zur dichten Vegetation und fruchtbaren Erde im wasserreichen Ganges-Delta mit dem dichtbesiedelten Großraum von Kolkata. Wir treffen das Team von KJKS, das uns zwei Tage lang über unbefestigte Straßen und schmale Pfade zielsicher in die von uns geförderten Adivasi-Dörfer (indische Ureinwohner, meist Santals oder Sabars/Lodhas) begleitet. Die extreme Armut, die das Leben der Familien prägt, ist in den Dörfern offensichtlich. Viele Kinder sind von dauerhafter Mangel- und Unterernährung gezeichnet, es gibt zu wenige Verdienstmöglichkeiten für die Eltern und bei Krankheit und Unfällen keine Versorgung. Alle wünschen sich eine bessere Zukunft für ihre Kinder und setzen ihre Hoffnung auf das KJKS-Team, das sie nun seit einigen Jahren begleitet.
In jedem der 19 Projektdörfer kümmert sich ein/e SozialarbeiterIn um das Wohl der Kinder. Beim täglichen Nachhilfeunterricht mit anschaulichen Materialien geht es nicht nur um Lesen, Schreiben und Rechnen. Spielerische Koordinations- und Bewegungsübungen sorgen für Abwechslung und fördern die körperliche und geistige Entwicklung. Neben den Lehrplaninhalten legt das KJKS-Team seit letztem Jahr vermehrt Wert auf die Vermittlung des traditionellen Wissens der Adivasi, um dieses vor dem Verschwinden zu bewahren und die eigene kulturelle Identität der Adivasi zu stärken. Regelmäßig kommen Geschichtenerzähler ins Nachhilfezentrum, meist ältere Männer oder Frauen, die über das frühere Leben, über den Gebrauch von wild wachsenden Heil- und Nutzpflanzen der Region, Mythen oder religiöse Orte erzählen und traditionelle Tänze und Lieder vermitteln.
Um Mangel- und Unterernährung zu bekämpfen, bekommen alle 760 Kinder in den Nachhilfezentren täglich eine nahrhafte Mahlzeit1 und monatlich wird ihre körperliche Entwicklung kontrolliert und dokumentiert, um bei Verschlechterung sofort reagieren zu können. Jede/r SozialarbeiterIn ist für „ihr“ Dorf verantwortlich und kennt die Probleme der einzelnen Familien, für die es Lösungen zu finden gilt. Besonders beeindruckt hat uns dabei Chiranjit Bera, eigentlich ein Sanskrit-Lehrer, der sich besonders für die Kinder einsetzt, auch über die Arbeitszeit hinaus: Wenn die Aufklärungsarbeit zu persönlicher Hygiene bei den Eltern nicht erfolgreich ist, schneidet er den Kindern auch mal selbst die Fingernägel oder Haare. Oder fährt die größeren Kinder mit seinem Moped in die weiterführende Schule im Nachbarort – einen Schulbus gibt es nicht.
Besonders stolz ist KJKS auf sechzehn Jugendliche, die kürzlich die zehnte Klasse erfolgreich abgeschlossen haben, trotz der fast zweijährigen Schulschließungen wegen Corona. Viele der Teenager waren während des Lockdowns in die Nachhilfezentren gekommen, um sich dort mit Unterstützung der KJKS-MitarbeiterInnen auf ihre Prüfungen vorzubereiten, denn ihre Eltern haben oft keinen Schulabschluss und können daher nicht beim Lernen helfen. Nun wollen einige eine Ausbildung machen oder auf eine weiterführende Schule gehen. Andere kehren in ihre Dörfer zurück, um ihre Familien im Alltag zu unterstützen und sich in den eigenen Dörfern einzubringen.
Einige der AbsolventInnen engagieren sich in den dörflichen Jugendgruppen, den „Units for Us“ (UfU), in denen sich jeweils etwa 15 Jugendliche und junge Erwachsene regelmäßig unter Anleitung von KJKS treffen. Die jungen Leute sollen die change- maker ihrer eigenen Dörfer werden, also diejenigen, die aktiv dazu beitragen, die Entwicklung im Dorf voranzubringen. Wir konnten bei einem Treffen selbst erleben, wie wichtig und hilfreich dies insbesondere für junge Frauen ist, die hier über Gesundheitsaspekte und Monatshygiene, Gewalt in der Familie oder Kinderarbeit sprechen können. Sie lernen auch etwas über Umweltthemen (z.B. Abfallentsorgung, Vermeidung von Plastikmüll) oder die Anlage von Küchengärten zur dauerhaften Verbesserung der Ernährungssituation.
Für das laufende Jahr planen wir eine partizipative Evaluierung unseres Projekts mit KJKS durch ein erfahrenes externes Team, um bisherige Erfolge und Herausforderungen, die aktuellen Bedürfnisse der Kinder und ihrer Familien sowie Strategien für die zukünftige Entwicklung gemeinsam mit den Betroffenen für die nächste Projektphase herauszuarbeiten.
Kosten 2023/24: 58.000 € – ca. 76 €/Kind
Stichwort: Adivasi
Wie unsere Projektpartner die Nutzung staatlicher indischer Hilfsprogramme befördern:
Beispiel SANCHAR und unser Projekt für Kinder mit Behinderungen
(Astrid Kösterke, Weihnachtsinfo 3-2022)
Indien bietet eine Vielzahl staatlicher Sozialleistungen. Aber gerade den bedürftigsten Menschen fehlt es oft an Information, Bildung und Selbstvertrauen, um sie zu beantragen und einzufordern. Deshalb ist es ein Anliegen aller unserer Projektpartner, über passende Angebote zu informieren, bei der oft aufwändigen Beantragung zu helfen und, wenn nötig, auch dabei, Ansprüche durchzusetzen.
Erstmals 2020 haben wir für unsere Projekte gründlicher untersucht, in welchem Umfang dies tatsächlich geschieht. Das Ergebnis hat uns beeindruckt: Die Zuwendungen aus staatlichen Programmen im indischen Finanzjahr 2019-20 beliefen sich bei den fünf beteiligten Projekten auf über acht Millionen Euro für etwa 34.000 Personen/Familien. Aus einem Spenden-Euro konnten durchschnittlich 57 Euro aus den staatlichen indischen und westbengalischen Hilfsprogrammen „generiert“ werden – eine beachtliche Hebelwirkung1!
Mein aktueller Beitrag soll zeigen, wie die Nutzung der Fördertöpfe speziell die Lebenssituation von Kindern mit geistigen und/oder körperlichen Beeinträchtigungen und ihrer Familien verbessert und die „Hebelwirkung“ wesentlich dazu beitragen kann, einen positiven Kreislauf in Gang zu setzen. Nicht zu vergessen die präventive Wirkung, die z.B. Maßnahmen für Schwangere und Stillende in Bezug auf das Auftreten von Behinderungen haben.
Staatliche Programme zur Armutsbekämpfung sind beispielsweise finanzielle Unterstützung bei Haus- und Toilettenbau, Förderung von Schulbesuch und weiterführender Bildung, insbesondere von Mädchen, Ernte-Versicherung für Kleinbauern, Arbeitsbeschaffungsprogramme, die Bereiche Gesundheit, Soziales, Pensionen, Lebensmittelhilfen, Beihilfen zu Klinikgeburten sowie Programme für Menschen mit Behinderungen. Mit letzteren kennt sich unsere Partnerorganisation SANCHAR besonders gut aus, mit der wir das Projekt „Inclusion of Children with Disabilities in Mainstream Society as Equals“ in fünf Kommunen im Panchla Block des Howrah Distrikts westlich von Kolkata durchführen. SANCHAR sorgt zum einen für eine direkte Verbesserung des täglichen Lebens behinderter Kinder, zum anderen arbeitet die Organisation intensiv daran, die Gesellschaft für die Situation und besonderen Bedarf bei Behinderungen zu sensibilisieren, der oft noch zu spürenden Stigmatisierung entgegenzuwirken und die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben zu fördern2. Dazu gehört auch die Einbeziehung der örtlichen Verwaltungen und Institutionen, z.B. Trainings und Gespräche mit BürgermeisterInnen, Lehrkräften, MitarbeiterInnen staatlicher Gesundheits- und Mutter-und-Kind-Zentren oder Polizeistationen zum Thema Inklusionsmaßnahmen. Die Entfernung zu den staatlichen Gesundheitszentren ist groß, was deren Besuch erschwert. So setzt sich SANCHAR bei den entsprechenden Behörden für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung ein. Wie sehr die Arbeit von SANCHAR in der Region geschätzt wird, zeigt sich auch daran, dass die MitarbeiterInnen von den örtlichen Verwaltungen als ExpertInnen zu Beratungen hinzugezogen werden, beispielsweise wenn es um mehr Straßensicherheit für Menschen mit Behinderung geht. Generell werden Eltern und Kinder ermutigt, Kontakt mit anderen aufzunehmen und an gemeinsamen Programmen sportlicher, kultureller oder religiöser Art teilzunehmen, um Isolation und Ausgrenzung zu überwinden.
Am Beispiel unseres Projekts möchten wir aufzeigen, wie neben der individuellen Betreuung durch die Projekt-MitarbeiterInnen staatliche Hilfsprogramme bedürftigen Familien mit behinderten Kindern zusätzliche langfristige Unterstützung bieten, die ihr Leben positiv verändert. Durch die wöchentlichen zeitintensiven Hausbesuche bildet sich rasch ein Vertrauensverhältnis zwischen Angehörigen und Sanchar-MitarbeiterInnen aus, sodass sich im Gespräch herausfinden lässt, ob die Familie Anspruch auf subventionierte Lebensmittel hat und über die dafür notwendige Ration Card verfügt, ob sie eine Disability Certificate Card für ihr behindertes Kind besitzt, welche zu spezifischen staatlichen Leistungen berechtigt. Familien mit spastisch gelähmten Kindern (Zerebralparese) erhalten beispielsweise neben der psychotherapeutischen Betreuung durch die ProjektmitarbeiterInnen auch Anleitung, eine Gehhilfe über ein Regierungsprogramm finanzieren zu lassen und dann korrekt zu nutzen. Mit den Angehörigen werden bei den Hausbesuchen Ideen entwickelt, wie die Kinder im Alltag besser am Familienleben beteiligt werden können. Kindern mit Gehör-Beeinträchtigung und ihrer Familie wird z.B. die Zeichensprache beigebracht, sofern es der geistige Entwicklungsstand des Kindes zulässt (geistige Behinderungen sind mit etwa 40 % die häufigste Einschränkung, oft gibt es Mehrfach-Behinderungen). Erwähnenswert auch ein Pre-Matric Scholarship for Students with Disability, für das sich SchülerInnen der 8. und 9. Klasse mit 40-prozentigem Behinderungsgrad aus bedürftigen Familien bewerben können. Sie erhalten monatliche Unterhaltszahlungen, einen Zuschuss für Schulbücher und einen behinderungsbezogenen jährlichen Zuschuss. Mindestens 50 % der Stipendien müssen an Mädchen gehen3.
All diese Maßnahmen entfalten ihre Wirkung jedoch erst dann richtig, wenn das Grundbedürfnis auf ausreichende Ernährung gesichert ist: So hat sich SANCHAR in Zeiten des Corona-Lockdown darum gekümmert, dass bedürftige Familien eine „Ration Card“ für Nahrungsmittel-Zuteilungen der Regierung bekommen, neben der direkten Hilfe aus den Sonderzahlungen der Indienhilfe für Lebensmittel (ca. 55 Familien) während der Pandemie4.
Die untenstehende Tabelle listet von Sanchar vermittelte Hilfsprogramme bzw. dafür erforderliche Registrierungen auf und zeigt, dass sich die Zahl der nutzenden Personen von 2020 auf 2022 mehr als verdoppelt hat, von 63 auf 138. Ein schöner Erfolg! Besonders erfreulich, dass sich die Zahl der Personen mit Behindertenausweis verfünffacht hat, weil dieser den Zugang zu den Programmen erst ermöglicht.
Alle Maßnahmen und Aktivitäten der geschulten MitarbeiterInnen von SANCHAR haben ein gemeinsames Ziel: Familien mit Kindern mit Beeinträchtigung ein besseres Leben zu ermöglichen, sei es durch direkte Arbeit mit den Familien, durch Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden und Institutionen oder die Nutzung der staatlichen Hilfsprogramme.
Hilfsprogramme speziell für Menschen mit Behinderung | Maßnahme / Ziel |
Anzahl Personen 2022* |
Anzahl Personen 2020* |
durchschnittlicher Betrag (Angaben nicht immer möglich) |
Disability Certificate Card - s.a. https://www.india.gov.in/spotlight/unique-disability-id | Behindertenausweis als Voraussetzung für spezifische staatliche Leistungen | 50 | 11 | Berechtigungsnachweis für Vergünstigungen aller Art |
Manabik Pension Scheme der Regierung von Westbengalen seit 2018, s. https://scholarshiparena.in/manabik-pension-scheme/ | Zahlung einer Unterhaltsbeihilfe bei 50-prozentiger Behinderung und geringem Einkommen | 40 | 28 | 1000 Rs/Monat, ca. 150 € pro Jahr |
Indische Regierung: Assistance to Disabled Persons for Purchase/ Fitting of Aids and Appliances (ADIP) s. https://disabilityaffairs.gov.in/content/page/adip.php | Hilfsmittel für Behinderte, z.B. Gehhilfen oder Beinschienen für Kinder mit spastischen Lähmungen, Hörgeräte, Brillen | 24 | 9 | Kostenzuschüsse, Berechtigung abhängig vom Behinderungsgrad |
Schulstipendium der indischen Regierung: Pre Matric Scholarship for Students with Disability | Erleichterung des Schulbesuchs für Mädchen mit Sehbehinderungen, z.B. Schulwegbegleitung | 16 | 12 | zwischen 100 und 600 Rs pro Monat, ca. 15 bis 90 € pro Jahr |
Med. Vorsorgeprogramm der indischen Regierung für Kinder - RBSK – Rashtriya Bal Swasthya Karyakram s. https://nhm.gov.in/index1.php?lang=1&level=4&sublinkid=1190&lid=583 | Vorsorge-Untersuchungen für Kinder (0-18) auf Geburtsfehler, Krankheiten, Ernährungszustand, Entwicklungsrückstand | 8 | 3 | kostenlose Behandlung |
Summe: | . | 138 | 63 | |
* alle Angaben von SANCHAR. Ob dies in beiden Jahren teils dieselben oder jeweils nur neu registrierte Kinder/Familien sind, konnte aktuell nicht überprüft werden. | ||||
Online-Registrierungen für PAN und Ration Card, als Voraussetzung für weitere genutzte Programme, auch unabhängig von Behinderung (einige Beispiele): | ||||
PAN Card (Permanent Account Number) | Auch zum Nachweis der Identität und des Alters genutzter Ausweis der indischen Einkommenssteuer-Behörde mit individuellem Code für Finanztransaktionen mit dem Ziel, Steuerhinterziehung zu bekämpfen; Vorlage wird auch für andere behördliche und juristische Vorgänge verlangt | |||
Ration Card s. https://en.wikipedia.org/wiki/Ration_card_(India) | Berechtigung für monatliche Grundnahrungsmittel | |||
Swachh Bharat Mission – Grameen (Bekämpfung der Defäkation im Freien) |
Toilettenbau vor allem in ländlichen Regionen, Hygieneförderung, Sicherheit für Frauen, kürzere Wege für Kinder und Erwachsene mit Gehbehinderungen | |||
Kanyashree | Förderung des (weiterführenden) Schulbesuchs von Mädchen | |||
Sabuj Sathi Prakalpa | Finanzierung von Fahrrädern für Mädchen, die zur Schule gehen |
Projektkosten 2022/23: 42.000 €
Stichwort: Behindertenarbeit
(1) siehe Bericht im Herbst-Info 2020 unter https://www.indienhilfe-herrsching.de/Regierungsprogramme-Indien
(2)siehe Berichte auf unserer Website: https://indienhilfe‑herrsching.de/Menschen-mit-Behinderungen
Überfüllte Nachhilfezentren – Corona trifft Kinder aus sozialen Randgruppen besonders hart:
unsere Arbeit mit Partner DMSC in Kotshila und Senabona, Distrikt Purulia
(Sarah Well-Lipowski, Frühjahrsinfo 2022)
(c) Indienhilfe
Jyotimala besuchte gern und regelmäßig den Nachhilfeunterricht, den unser Projekt-Partner Durbar Mahila Samanwaya Committee1 (DMSC) im Sozial- und Kinderzentrum Senabona anbietet. Doch plötzlich blieb sie weg. Ihre alleinerziehende Mutter, die vor Ausbruch der Corona-Pandemie Erdnüsse am lokalen Bahnhof verkaufte, ist durch den Lockdown arbeitslos geworden und seitdem den ganzen Tag unterwegs, auf der Suche nach Gelegenheitsjobs. Seit September 2021 ist die Situation der Familie so prekär, dass sich die erst achtjährige Jyotimala allein um die kleine Schwester und den Haushalt kümmern muss. DMSC-Mitarbeiter Bidhun besucht die Familie regelmäßig und versucht, die Mutter zu überzeugen, dass Bildung die einzige Chance auf ein besseres Leben, auf eine Zukunft ohne Armut für ihre Kinder ist. Auch wenn er das Mädchen bisher weder ins Nachhilfezentrum noch in den Schulunterricht zurückholen konnte, bleibt er hartnäckig.2 Jyotimala ist nur eines der vielen Kinder, die durch Lockdown und zweijährige Schulschließung den Anschluss an schulische Bildung verloren haben und Kinderarbeit verrichten.3
Im Rahmen unseres Projektes unternimmt DMSC alles, um diese Kinder in den Nachhilfe-Unterricht in den Zentren und in der Folge auch in die Schulen zurückzuholen: Seit Beginn der Pandemie stieg die Zahl der Nachhilfeschüler*innen von 99 auf 126. Obwohl es für die Indienhilfe finanziell nicht leicht war, stimmten wir der Erhöhung der Schülerzahl ohne Zögern zu, weil die verschlechterte Ernährungs- und Bildungssituation der Kinder unser Handeln dringend erforderte. In unseren beiden Zentren erhalten die Kinder an sechs Tagen die Woche für jeweils zwei Stunden Nachhilfe- und lebenskundlichen Unterricht und eine warme, nahrhafte Mahlzeit. Aber es war uns finanziell bisher nicht möglich, auch die Zahl der Nachhilfe-Lehrkräfte angemessen zu erhöhen.
Das Hilfsangebot im abgelegenen, dürregeplagten Purulia-Distrikt in Westbengalen richtet sich vor allem an Kinder der (sexuell und ökonomisch) ausgebeuteten Nachni-Dorftänzerinnen und benachteiligten Jhumur-Musiker, die aufgrund ihrer traditionellen Tätigkeit besonderer Diskriminierung und Benachteiligung ausgesetzt sind. Bei Projektbesuchen habe ich ihre kritischen Lebensverhältnisse selbst kennengelernt. Neben dem Nachhilfeunterricht für Schulkinder bietet DMSC weiteren 66 Kindern unter sechs Jahren eine ganztägige Krippenbetreuung an, einschließlich frühkindlicher Förderung und nahrhafter Mahlzeiten, weil gerade in diesem Alter Mangelernährung lebenslange Schäden verursachen kann. Die Entwicklung und der Gesundheitszustand aller Kinder werden regelmäßig kontrolliert. Eine von der Indienhilfe 2020 veranlasste externe Evaluierung des Projektes ergab, dass beim Lernniveau der Schul- und Krippenkinder beachtliche Fortschritte erzielt wurden. Auch die Ernährungssituation der Kinder hatte sich verbessert, dennoch war die Rate der mangel- und unterernährten Kinder kurz vor der Pandemie immer noch zu hoch. Die Situation hat sich seither wieder verschlechtert; eine Fortführung der Projektarbeit ist dringend notwendig, um die bisher erzielten Erfolge nicht zu gefährden, sondern auszubauen.
Von 2017 bis 2021 hat RED CHAIRity, die weltweit tätige Hilfsorganisation der XXXLutz-Möbelhäuser, das Projekt vollständig finanziert. Doch ab 2022 muss die Indienhilfe das Projekt wieder allein mit ihren Spenderinnen und Spendern stemmen. Aufgrund unserer knappen Mittel und der gestiegenen Zahl der Nachhilfeschüler*innen konzentrieren wir uns zunächst auf die Arbeit mit den Kindern. Die wichtige Mütter- und Elternarbeit mit den dafür notwendigen zusätzlichen Mitarbeiter*innen können wir derzeit noch nicht finanzieren, obwohl Bedarf und Nachfrage hoch sind. (Bisher waren auch die Aufklärung von Nachnis und Jhumurs über ihre Rechte, Hilfe bei der Beantragung staatlicher Hilfsangebote, z.B. für Unterstützung beim Bau fester Behausungen, der Aufbau und die Begleitung von Jugend- und Selbsthilfegruppen, Anleitung zur Kultivierung von Küchengärten usw. Teil des Projekts.) Die hohe Inflation in Indien, zurückzuführen u.a. auf den Krieg in der Ukraine, treibt zusätzlich die Lebensmittelpreise und damit die Projektkosten für das warme Essen in die Höhe. Deshalb kommt es hier dieses Jahr ganz besonders auf jeden Spenden-Euro an, um die Arbeit fortsetzen und möglichst auch wieder erweitern zu können.
Kosten 2022/23: ca. 52.000 € (ca. 300 €/ Kind)
Stichwort: Purulia
---------------------
(1) Unstoppable Women's Solidarity Committee
(2) Erst seit Februar 2022 sind die staatlichen Schulen in Westbengalen wieder geöffnet, die im März 2020 wegen Corona geschlossen worden waren.
(3) Als Kinderarbeit zählen auch Haushaltsarbeiten, die vom Schulbesuch abhalten. https://www.ilo.org/ipec/areas/Childdomesticlabour. Laut ILO und Unicef ist die Zahl der Kinderarbeiter seit 2020 auf Grund der Pandemie global gestiegen https://www.unicef.de/informieren/materialien/report-kinderarbeit/243308