Vereinsgeschichte

Elisabeth Kreuz mit ihren Schuetzlingen bei Mutter Teresa
Elisabeth Kreuz mit ihren Schützlingen bei Mutter Teresa (Foto: Elisabeth Kreuz)

Alles fing an mit einem zweimonatigen Arbeitsaufenthalt der Herrschinger Medizinstudentinnen Elisabeth und Angelika Kreuz 1979 im Nirmala Kennedy Centre von Mutter Teresa in Kalkutta. Erschüttert von ihren Erfahrungen, in welchem Elend viele Menschen, ganze Familien, auf Kolkatas Straßen hausten, sammelten sie nach ihrer Rückkehr Spenden in Familie, Freundeskreis und bei Dia-Vorträgen, um obdachlose Kriegsflüchtlinge aus Bangladesch auf dem Land durch den Bau von Hütten mit Parzellen für den Reisanbau zu unterstützen. Die Hilfsbereitschaft war groß und schnell war klar, dass die Gelder nicht mehr privat nach Indien weitergeleitet werden konnten: am 4. Juli 1980 wurde die Indienhilfe e.V. offiziell als gemeinnütziger Verein gegründet. Gemäß seiner Satzung finanzierte der Verein seither nicht nur soziale Programme örtlicher Partnerorganisationen für besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Westbengalen und darüber hinaus, sondern setzte sich auch bei uns für die Veränderung der globalen Ungerechtigkeit ein. Eine von Elisabeth organisierte Gruppenreise 1982 resultierte in einer aktiven studentischen Gruppe, darunter der spätere Nobelpreisträger für Physik, Wolfgang Ketterle.

Nach Studienabschluss konnte Elisabeth mit Hilfe der Karl Kübel Stiftung in Bensheim ab 1985 einen kleinen Büroraum für die Indienhilfe im Herrschinger „Kommunikationszentrum KommmHer“ in der Seestraße anmieten. Ein Wohnzimmer-Sideboard im Büro diente ab Febr. 1985 als erster „Dritte-Welt-Laden“ der Indienhilfe: der Verkauf von fair gehandelten Lebensmitteln und Kunsthandwerk sollte den ausgebeuteten ProduzentInnen in der „Dritten Welt“ durch gerechte Löhne und bessere Arbeitsbedingungen einen Ausweg aus der Armut ermöglichen. Von einer Tee-Kooperative in Tripura importierte der Weltladen Tee und verkaufte ihn bundesweit an andere Weltläden. 1986 erfolgte der Umzug von Indienhilfe und KommHer in die „Alte Schule“, Luitpoldstr. 20, mit einer moderaten Miete an die Gemeinde. (Erst 2007 konnte der Raum der umgezogenen Herrschinger Bücherei hinzugemietet werden und der Weltladen hatte endlich adäquat Platz.) Die Indienhilfe vernetzte sich mit anderen „Indien-Vereinen“ in Deutschland, gemeinsam wurden Tagungen organisiert, um über weltweite Ausbeutungsstrukturen zu informieren, die IH gab mit dem Verlag „Durga Press“, einem Zweckbetrieb, einen Indien-Newsletter mit Informationen aus Indien heraus (bis das neue Internet dies überflüssig machte) und übersetzte und veröffentlichte u.a. indische Publikationen zur „Globalen Erwärmung als Fall von Öko-Kolonialismus“ und über „People’s Science“, das Wissen von Bauern und Indigenen Völkern Indiens.

Förderung der Erziehung“, aber auch die „Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens“ sind seit Beginn in der Satzung verankert. (Die IH nennt diesen Arbeitsbereich „Dialog und Partnerschaft“.) Ab 1990 konzentrierte sich die Indienhilfe auf die eigene Region: Herrsching, den Landkreis Starnberg, die Region Oberbayern. Durch professionelle Bildungsangebote für Schulen will die IH vor allem Kindern und Jugendlichen globale Zusammenhänge näherbringen und zu einer Veränderung des eigenen Lebensstils, zu mehr Nachhaltigkeit anregen. 1992, 1997, 1998, 2004, 2006, 2007 sowie 2017 ermöglichten (über Monate hinweg intensiv vorbereitete) Gruppenreisen Menschen, Familien, Lehrkräften aus der Umgebung Einblicke in die Lebenssituation in den Projektgebieten Westbengalens. Lebensgeschichtliche Interviews vertieften die Begegnungen. Fast alle Teilnehmenden engagierten sich danach für die „Eine Welt“, oft im Rahmen der Indienhilfe, bzw. im Rahmen der 1990 entstandenen „Indiengruppe Vikas“ am Gilchinger CPG. Über die Jahre gab’s regelmäßig Ausstellungen zu Indien-Themen im Kurparkschlösschen Herrsching mit Schulklassenführungen. Die IH lädt regelmäßig indische ProjektmitarbeiterInnen und indische BeraterInnen nach Herrsching ein, zu Arbeitsgesprächen, aber auch für Begegnungen mit Schulklassen an „ihren“ Schulen (bislang Christian Morgenstern Schule Herrsching, Christoph-Probst-Gymnasium Gilching und Montessori-Schule Inning), die ihrerseits Spendenaktionen durchführen und mit Schulklassen in Chatra Bilder und Briefe austauschen. 1994 beschloss der Herrschinger Gemeinderat, der Gemeinde Chatra eine freundschaftliche Beziehung anzubieten, 1995 wurde diese Freundschaft in Chatra in Anwesenheit einer großen Herrschinger Delegation und des deutschen Generalkonsuls Kolkata bestätigt und dann im Kurparkschlösschen als Vereinbarung im Rahmen eines Festakts am 12.11.1996 durch Bürgermeister Wexlberger und Panchayat Pradhan Swaraj Misra unterzeichnet.

Am 30.7.2005 wurde dieses Abkommen durch einen vom aktuellen Gemeinderat verabschiedeten neuen Vertrag über die Ausgestaltung der Partnerschaft zwischen den Gemeinden Herrsching a. Ammersee in Bayern/Deutschland und Chatra in Westbengalen/Indien bei einem Festakt in Anwesenheit des indischen Generalkonsuls und seines Stellvertreters aus München von Bürgermeisterin Christine Hollacher und Panchayat Pradhan Pranab Biswas unterzeichnet. „Die Beziehung soll sich neben vielfältigen persönlichen Kontakten der Bürgerinnen und Bürger auch in vielfältigen Kontakten zwischen den Gemeindeverwaltungen entfalten. Für ein faires Miteinander der Völker, soll sie bei allen Gemeindemitgliedern internationales Denken fördern und dazu führen, dass globale Zusammenhänge die Entscheidungen im täglichen Leben maßgeblich beeinflussen.“ Indienhilfe und Gemeinde Herrsching haben in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Chatra in der Folge eine Oberflächen-Trinkwasseranlage für einen bedürftigen Ortsteil Chatras konzipiert und finanziert, neben Beiträgen des indischen Staates.

Ein gewaltiger Schritt vorwärts für die Indienhilfe war Ende 2010 die Errichtung der Stiftung „Hilfe für Indien“ durch ein Stifter-Ehepaar, mit der Umschichtung des Stiftungsvermögens in den Kauf des Grundstücks mit der „Alten Schule“ von der Gemeinde Herrsching, fortan „Welthaus ‚Alte Schule‘“ genannt. Die IH konnte zwei weitere Räume anmieten, die im 1. OG die Eine-Welt-Präsenz-Bibliothek und das Büro der Bildungsreferentin (Eine Welt-Station für Globales Lernen) und der Eine Welt-Promotorin Oberbayern Süd (im Rahmen eines bundesweiten Programms) beherbergen. Der „Saal“, das letzte verbliebene Klassenzimmer in seiner ursprünglichen Gestalt, wird von der Stiftung für Veranstaltungen vermietet. Auch die IH nutzt ihn für Ausstellungen, für Workshops und Fortbildungen, für Vernetzungstreffen und für kulturelle „Indien-Veranstaltungen“, um den Menschen in und um Herrsching die Vielfalt der indischen Literatur, Musik und Kunst näher zu bringen.
(Quelle: Pressemeldung der Indienhilfe zum 45. Jubiläum des Vereins, Juni 2025)

Elisabeth, Angelika & Lissi bei Mutter Teresa
Elisabeth und Angelika Kreuz im Nirmala Kennedy Centre von Mutter Teresa im Jahr 1979 (Foto: Elisabeth Kreuz)